Die Schule Christi
von
T. Austin-Sparks
Kapitel 8 - Das beherrschende Gesetz der göttlichen Liebe
Schriftlesung:
Johannes 1.4; 2.3; 3.3; 4.13-14; 5.5-9; 6.33-35; 9.1-7; 11.1-6,
17, 21, 23, 25-26;
Ein
Nullpunkt
All diese Abschnitte, die wir gelesen
haben, bilden eine zusammenhängende Folge. Sie fließen alle aus
dem ersten hervor: «In ihm war Leben, und das Leben war das
Licht der Menschen.» Und ihr könnt beobachten (oder
feststellen), dass sie alle einen Nullpunkt repräsentieren. Die
Mutter Jesu sagte zu ihm: Sie haben keinen Wein mehr; da ist
nichts, wo man solchen hernehmen könnte. Im nächsten Kapitel
wird dasselbe nur auf etwas andere Weise gesagt: Nikodemus kam zu
Jesus und versuchte, bei einem Punkt zu beginnen, von dem er
glaubte, er eigne sich gut, um mit dem Herrn Verhandlungen
aufzunehmen. Aber es war ein Punkt, der weit über das
hinausging, was der Herr Jesus akzeptieren konnte. So brachte er
ihn an den Nullpunkt zurück und sagte: «Ihr müsst von neuem
geboren werden.» Darüber hinaus gibt es keinen Punkt, bei dem
wir beginnen könnten. Wenn wir zu irgend einer Art lebendiger
Gemeinschaft kommen wollen, müssen wir zu diesem Punkt
zurückkehren: Wir müssen zum Nullpunkt zurückkehren und bei
Null anfangen. «Ihr müsst von neuem geboren werden.» Denn wenn
ein Mensch nicht von neuem geboren ist, kann er nicht sehen. Es
hat keinen Sinn, an einem Punkt zu beginnen, wo wir im Grunde
genommen unfähig sind zu sehen. Kapitel 4 bringt wiederum
dieselbe Wahrheit auf etwas andere Weise. Die Frau befindet sich
in einem bankrotten Zustand, an einem Nullpunkt. Jesus zieht sie
schrittweise heraus, und der schließliche Ausdruck von ihrer
Seite lautet; «Nun, ich verstehe nichts davon, ich besitze das
nicht; ich bin Tag für Tag hierher gekommen, aber ich weiß
nichts von dem, wovon du sprichst.» Sie ist beim Nullpunkt
angelangt. Darauf sagt er: «Gerade damit beginnen wir. Das
Wasser, das ich gebe, bedeutet nicht, dass wir aus unseren
eigenen Hilfsquellen schöpfen, dass du etwas aus deinem eigenen
Brunnen hervorbringen kannst; es ist nicht etwas, das du
produzieren kannst und ich verbessere es nachher. Nein, es ist
etwas, das einzig und allein von mir selbst kommt. Es ist eine
absolut neue Tat unabhängig von dir. Es handelt sich um Wasser,
das ich geben werde. Wir fangen in dieser Sache nochmals von
vorne an.»
Dann Kapitel 5. Der
Heilige Geist macht es vollkommen deutlich, dass dieser arme Mann
in Kapitel 5 sich in einem hoffnungslosen Zustand befand; jede
Mühe war vergeblich, jede Hoffnung wurde zunichte gemacht. 38
Jahre, eine ganze Lebenszeit, dauerte dies schon, und man bemerkt
einen Zug von Verzweiflung bei diesem Menschen. Der Herr Jesus
sagt nicht zu ihm: «Sieh, du bist ein armer Krüppel; ich nehme
mich deiner an, und nach einer kurzen Behandlung werde ich dich
wieder auf den Beinen haben, ich werde deine alten Glieder wieder
erneuern, ich will deinen Zustand verbessern.» Überhaupt nicht.
Sofort, in einem Augenblick, geschieht ein neuer Anfang. Die
Wirkung, die das, was der tut, hat, kommt einer neuen Geburt
gleich. Der alte Mann wird nicht einfach geheilt, im Prinzip
entsteht hier ein neuer Mensch. Es ist etwas da, was vorher nicht
da war, und das vorher auch nicht hätte entstehen können. Es
war keine Grundlage dazu vorhanden; es war etwas, das einzig und
allein Christus vollbrachte und vollbringen konnte. Es war ein
Nullpunkt, und der Herr begann auch hier bei Null.
In Kapitel 6 finden
wir die große Volksmenge. Woher sollen wir genug Brot kaufen
für eine solche Menge? Auch diese Situation ist vorerst einmal
recht hoffnungslos, aber durch seine eigene Tat begegnet der Herr
der Situation, und dann fügt er jene große Belehrung an, um das
zu interpretieren, was er mit der Speisung der Menge getan hatte.
Er sagt da: «Ich bin das Brot, das vom Himmel herabkam. Auf
dieser Erde gibt es nichts, das dieser Not begegnen kann. Es muss
vom Himmel kommen. Brot vom Himmel für das Leben der Welt;
anders ist die Welt tot. Wir beginnen bei Null.» (Die Brote und
die Fische stellen unser kleines Maß von Christus dar, das
vermehrt werden kann.)
In Kapitel 9 folgt
dann der blind geborene Mann. Es ist nicht ein Mann, der das
Gesicht verloren hat und dem es nun wiederhergestellt wird. Das
liegt hier nicht vor. Die Herrlichkeit Gottes findet sich nicht
in der Verbesserung, im Flickwerk. Die Herrlichkeit Gottes findet
sich in der Auferstehung. Das kommt hier zum Ausdruck. Die
Herrlichkeit Gottes besteht nicht darin, dass wir imstande sind,
etwas hervorzubringen oder etwas in Gottes Hand zu legen, etwas
von uns, das er aufgreifen und von dem er Gebrauch machen kann.
Die Herrlichkeit Gottes ist etwas, das völlig aus Gott stammt,
wir können nichts dazu beitragen. Die Herrlichkeit Gottes kommt
aus dem Nullpunkt; der Mann war blind geboren worden. Der Herr
Jesus gibt ihm das Gesicht, er hatte noch nie vorher gesehen.
Das 11. Kapitel fasst
das alles zusammen. Wenn ihr euch hinsetzen und Lazarus
betrachten möchtet, stellt ihr fest, dass Lazarus die
Verkörperung ist von «Sie haben keinen Wein mehr?» Er ist die
Verkörperung von «Ihr müsst von neuem geboren werden». Er ist
die Verkörperung von «Das Wasser, das ich ihm geben werde....»
Er ist die Verkörperung des bankrotten Zustandes schlechthin.
Schon vier Tage im Grabe! Aber da kommt der Herr hinzu. Lazarus
ist auch die Verkörperung von Kapitel 6: «Ich bin das lebendige
Brot, das vom Himmel herabkommt... für das Leben der Welt.»
Lazarus ist die Verkörperung von Kapitel 9, von einem Menschen,
der nichts sehen kann, der das Gesicht durch den Herrn Jesus
erlangt. Lazarus fasst all das zusammen. Aber beachtet folgendes:
Indem der Heilige Geist all dies zusammenfasst, bemüht er sich
sehr stark, eines zu betonen: Dass der Herr Jesus so lange nicht
an einer Sache rührt, bis sie weit außerhalb jeder menschlichen
Hilfsmöglichkeit liegt. Er wird erst in Szene treten und sich
damit in Verbindung setzen, wenn alle menschlichen Standpunkte
bankrott gegangen, an einen Nullpunkt gelangt sind. Und das ist
nicht eine Frage des mangelnden Interesses, eines Mangels an
Sympathie, eines Mangels an Liebe, denn der Geist weist darauf
hin, dass Liebe dabei war. Aber die Liebe ist an ein Gesetz
gebunden.
Das
beherrschende Gesetz - die Herrlichkeit Gottes
Die göttliche Liebe
ist durch ein Gesetz gebunden. Die Liebe hat ein Gesetz, wo es um
Gott geht. Gottes Liebe befindet sich unter einem Gesetz. Sie
untersteht dem Gesetz der Herrlichkeit Gottes, und Gott kann
seine Liebe nur insofern zeigen, als seine Liebe zu seiner
Herrlichkeit beitragen wird. Von diesem Gesetz wird er bestimmt.
In all seinen Liebeserweisen besteht sein Ziel darin, dass er
verherrlicht wird, und die Herrlichkeit Gottes ist verbunden mit
der Auferstehung. «Sagte ich dir nicht, wenn du glauben
würdest, so würdest du die Herrlichkeit Gottes sehen?» «Dein
Bruder wird auferstehen.» Die Herrlichkeit Gottes ist in der
Auferstehung, und die Liebe verlangt deshalb, dass alles an einen
Punkt gelangt, wo nur Auferstehung die Situation retten kann; es
ist nicht ein Heilen der Dinge, ein Flicken des alten Zustandes.
Oh, wenn es sein muss,
so lasst mich wieder ganz von vorn beginnen. Es gibt noch eine
große Zahl von Menschen in dieser Welt, die meinen, im Menschen
gebe es etwas, das zur Verherrlichung Gottes beitragen könne,
und dass das Christentum eigentlich nur darin bestehe, etwas aus
dem Menschen hervorzuholen, das zur Verherrlichung Gottes diene.
Das ist eine seit langem bestehende hartnäckige Lüge. Es ist
einfach nicht wahr. Nennt es meinetwegen wie ihr wollt; es läuft
unter verschiedenen Namen, zum Beispiel «inneres Licht», «der
Lebensfunke», «das Gute im Menschen», «ein guter Kern» usw.
Das Wort Gottes kommt ständig wieder auf diesen einen Punkt
zurück. Ich beginne bei Null, und Null bedeutet für mich, dass
ich nichts beitragen kann. Alles muss von Gott kommen. Schon die
Tatsache, dass die Gabe Gottes ewiges Leben ist, bedeutet, dass
ihr es nicht habt, solange es euch nicht gegeben wurde. Ihr seid
blind, bis Gott euch die Fähigkeit des Gesichtes gibt. Ihr seid
tot, bis Gott euch das Leben mitteilt. Ihr seid ein
hoffnungsloser Krüppel, bis Gott etwas für euch und in euch
tut, das ihr niemals tun könnt. Wenn Gott es nicht tut, wenn
diese Tat (Gottes Eingreifen) nicht stattfindet, dann liegt ihr
eben da (wie ihr seid: blind, hilflos, hoffnungslos). Geistlich
gesehen steht es so mit euch. Ihr könnt nichts beitragen.
Nikodemus, du hast nichts zu geben, du musst von neuem geboren
werden; ich kann dich nicht in dem Punkt annehmen, in dem du zu
mir kommst. Frau von Samaria, du hast nichts, und du weißt es
und bekennst es; das ist der Punkt, bei dem ich beginne. Mann von
Bethesda, du kannst nichts tun, und du weißt es; alles hängt
nun von mir ab! Wenn je etwas geschehen soll, so hängt das von
mir hab! Lazarus, was kannst du jetzt tun, und was kann irgend
jemand mit dir anfangen? Wenn ich nicht wie vom Himmel herabkomme
und es tue, dann bleibt nichts als Verwesung übrig!
Dies ist eine der
großen Lektionen, die wir, ihr und ich, in der Schule Christi zu
lernen haben, dass Gott im Blick auf seine Herrlichkeit bei Null
anfängt, und Gott wird durch den Heiligen Geist alles
dransetzen, uns begreiflich zu machen, dass es wirklich ein
Nullpunkt ist; er wird uns bewusst an diesen Nullpunkt führen
und uns zu verstehen geben, dass alles bei ihm liegt. Ihr seht,
Gott lässt sich stets vom Ziel leiten, und das Ziel ist die
Herrlichkeit Gottes. Nehmt dieses Wort und geht nochmals das
Evangelium durch - die Herrlichkeit Gottes in Bezug auf Christus.
In einer vorausgehenden Betrachtung sagten wir, dass das große
Ziel Gottes für uns in Christus die Herrlichkeit sei, die Fülle
von Herrlichkeit. Ja, aber dann kommt auch das hinzu - dass kein
Fleisch sich vor ihm rühmen soll! Wo finden wir das? Wer
sich rühmt, der rühme sich im Herrn (l. Kor. 1.29-30). Und
womit steht es in Verbindung? «Er ist uns gemacht von Gott zur
Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung; auf dass, wie
geschrieben steht, wer sich rühmen will, sich im Herrn rühme.»
Es geht um die Frage, wozu Er gemacht worden ist. Kein Fleisch
soll sich vor ihm rühmen. «Meine Ehre gebe ich keinem andern»
(Jes. 42.8; 48.11). Es ist also völlig des Herrn Angelegenheit,
und er behält sie auch völlig in seiner Hand. «Und als er es
gehört hatte, blieb er noch zwei Tage, wo er gerade war» (Joh.
11.6). Und dies in Liebe, beherrscht von der Liebe. Damit die
Herrlichkeit Gottes geoffenbart werden konnte, blieb er noch
einige Zeit dort (anstatt sofort zu Hilfe zu eilen).
Haben wir dies
begriffen? Wir brauchen so lange, bis wir diese Grund legende,
elementare Lektion gelernt haben. Wir klammern uns immer noch an
die Vorstellung, wir könnten irgend etwas hervorbringen, und
alle unsere schlechten Tage sind nur das Ergebnis davon, dass wir
noch immer hoffen, wir könnten dem Herrn irgend etwas
verschaffen. Und weil es uns nicht gelingen will, weil wir die
ganze Zeit versagen, werden wir elend, wir verzweifeln. Wir
brauchen so lange, bis wir den Punkt erreichen, wo uns diese
Sache vollständig und endgültig klar wird, dass, selbst wenn
wir so lange auf dieser Erde leben würden, wie je ein Mensch
gelebt hat, wir nicht imstande sein würden, auch nur ein Jota
beizusteuern, das Gott akzeptieren könnte, das er für unsere
Erlösung, für unsere Heiligung, für unsere Verherrlichung
brauchen könnte kein bisschen. Das einzige, was er brauchen
kann, ist sein Sohn, und das Maß unserer größten Herrlichkeit
wird das Maß Christi in uns sein, nur das. Es wird Unterschiede
in der Herrlichkeit geben, wie eben ein Stern sich an
Herrlichkeit vom andern unterscheidet; eine andere Herrlichkeit
hat die Sonne, eine andere der Mond, eine andere wiederum die
Sterne. Es wird Unterschiede im Grad der Herrlichkeit geben, und
der Unterschied des Grades an Herrlichkeit wird letztlich dem
Maß von Christus entsprechen, das jedes von uns im einzelnen
hat. Das hängt wiederum davon ab, in welchem Masse wir, ihr und
ich, wirklich Christus zur Grundlage unseres Lebens machen, zur
Basis unserer Lebensweise, unseres Wesens; wie stark das Prinzip
dieser vertrauten Worte in unserem Falle seine Anwendung gefunden
hat: «Nicht was ich will, sondern was du bist.» Christus ist
die ganze Herrlichkeit. «Das Lamm ist die ganze Herrlichkeit im
Land Immanuel.»
Liebe Freunde, was
immer ihr von hier mitnehmt, möge es doch dies sein, dass von
Gottes Standpunkt aus die Herrlichkeit des Lebens völlig davon
abhängt, wie weit wir Christus im Glauben wahrgenommen, uns
angeeignet haben, und wie weit wir ihn einschätzen; es gibt für
uns keine Herrlichkeit, weder jetzt noch in einer kommenden Zeit,
außer auf dieser Grundlage und entlang dieser Linie. Ich weiß,
wie einfach das alles ist, wie elementar, aber oh, es ist etwas
so Entscheidendes (das heißt es kommt so sehr darauf an).
Herrlichkeit - dass der Herr doch durch uns verherrlicht werden
möge! Was Größeres könnte denn geschehen, als dass der Herr
durch uns verherrlicht wird? Die Herrlichkeit Gottes hängt von
der Auferstehung ab, und Auferstehung ist Gottes einzigartiges
und einziges Vorrecht (Prärogativ). Wenn also Gott in uns
verherrlicht werden soll, dann müssen wir, ihr und ich, Tag für
Tag von ihm als der Auferstehung und dem Leben leben, und ihn als
dies erkennen, während wir durch das Leben gehen.
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