Die Schule Christi
von
T. Austin-Sparks
Kapitel 2 - Die Wahrheit lernen
Schriftlesung:
Johannes 8.31-36; 8.44; 14.6; 14.17; 15.26; Römer 1.18; 1.25;
Epheser 4.21; 4.24; Offenbarung 3.7; 3.14
Im ersten Kapitel
sprachen wir von der Schule Christi, und wir sagten, jedes wahre
Kind Gottes werde unter der Hand des Heiligen Geistes, des
Geistes der Salbung, in diese Schule gebracht; wir sprachen
davon, dass das große Werk des Heiligen Geistes darin bestehe,
Christus dem Herzen als Ziel für alle Behandlungen des Heiligen
Geistes an uns zu präsentieren. Zuallererst wird Christus also
dargestellt und von Gott beglaubigt als der Gegenstand seines
Wohlgefallens, und dann offenbart der Heilige Geist das
göttliche Ziel in Verbindung mit dieser inneren Offenbarung,
nämlich, dass wir dem Bilde des Sohnes Gottes gleich gestaltet
werden sollen. Dann sprachen wir ebenfalls von zwei oder drei
Grund legenden Lektionen in dieser Schule, von Dingen, die
unserer Erziehung zugrunde liegen. Erstens gibt sich der Heilige
Geist große Mühe, alle, die unter seiner Zucht (discipline)
stehen (denn das ist die Bedeutung eines Jüngers («disciple»,
auf eine inwendige Weise in ihren Herzen die völlige
«Andersheit» Christi im Vergleich zu ihnen in der Erfahrung zu
lehren. Ferner arbeitet er auch darauf hin, uns an den Ort zu
bringen, wo wir erkennen, dass wir von uns selbst aus nie
Christus gleich sein können. Was uns dabei allmählich klar
wird, ist, dass dies (das Gleichsein wie Christus) etwas sein
muss, das völlig außerhalb unserer Möglichkeiten liegt, etwas,
das Gott selber vollbringen muss.
Nun, dies alles sind
nur einleitende Dinge in der Schule Christi, obwohl es mir
scheinen will, diese einführende Erziehung dauere an bis ans
Ende unserer Tage. Jedenfalls scheinen sie sich über einen
großen Teil unseres Lebens auszudehnen, wobei wir einen Punkt
erreichen können, der eine entscheidende Krise darstellt in
dieser Sache, durch die der Grund gelegt wird, so dass diese drei
Dinge erkannt und akzeptiert werden; und wir werden es nicht weit
bringen, solange dies nicht der Fall ist. Der Mensch, der sich
wirklich in Bewegung setzt, ist jemand, der letztlich an sich
selbst verzweifelt und der durch die Erleuchtung des Heiligen
Geistes zur Erkenntnis gelangt ist, dass nicht mehr
ich es bin, sondern «Christus» -«Nicht was ich bin,
Herr, sondern was du bist, das allein kann meiner Seele die wahre
Ruhe bringen»; deine Liebe, nicht meine; dein Friede, nicht
meiner; deine Ruhe, nicht meine; dein alles, nicht meines; du
selbst! Das ist die entscheidende Grundlage für ein geistliches
Christentum, für geistliche Erkenntnis und geistliche Erziehung.
«Ich
bin die Wahrheit»
In
diesem Kapitel nun wollen wir einen noch genaueren Blick auf den
Herrn Jesus als den Gegenstand Gottes und den Standard des
Heiligen Geistes für das Werk des Geistes in uns werfen, auf
diese «Andersheit», die er darstellt, und wir haben eine Reihe
von Abschnitten gelesen, die alle - wie ihr vielleicht bemerkt
habt - von der Wahrheit handeln. Gewiss haben diese Abschnitte in
den Evangelien bei der Erziehung der Jünger eine Rolle gespielt.
Zuerst haben wir da die Aussage oder die Erklärung gegenüber
den Juden - und das war für die Ohren der Jünger etwas
Unerhörtes. Es gab Juden, die sich zum Glauben bekannten. Und da
wirft der Herr für sie die Frage der Jüngerschaft auf. Er sagte
zu den Juden, die ihm geglaubt hatten (es heißt nicht, dass sie
an ihn geglaubt haben): «Wenn ihr in meinem Worte bleibt, dann
seid ihr wahrhaft meine Jünger; und ihr werdet die Wahrheit
erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen.» Sie
antworteten ihm sofort mit ihrem Gegenanspruch: «Wir sind
Abrahams Nachkommen und sind nie jemandes Knechte gewesen.» Er
aber betont die Sache der Wahrheit, vor allem der Wahrheit in
Bezug auf ihn selbst. «Wenn der Sohn euch frei macht, dann seid
ihr wirklich frei.» «Ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die
Wahrheit wird euch frei machen.» Die Frage tauchte auf, wessen
Samen sie waren, und sie wurde mit jener Aussage in Verbindung
gebracht: «Wen der Sohn frei macht, der ist wirklich frei.»
Könnt ihr dem folgen? Die Wahrheit zu erkennen bedeutet, den
Sohn zu erkennen. Freiheit durch die Wahrheit kommt durch die
Erkenntnis von ihm.
Dann sagte er zu den
Juden - ich nehme an, es handelte sich um etwas gewalttätige
Typen - diese Worte von einer Strenge ohne Parallele: «Ihr
stammt von eurem Vater, dem Teufel, und ihr wollt die Lust eures
Vaters vollbringen. Er war ein Mörder von Anfang an, und er
besteht nicht in der Wahrheit... er ist ein Lügner und der Vater
der Lüge... Wenn er redet, redet er von seinem Eigenen.» Eine
ungeheuer starke Sprache, und alles im Zusammenhang mit der Frage
nach der Wahrheit, der Wahrheit, die ihn selbst betraf.
Wenn ihr dann zu
Kapitel 14 kommt, ist er mit seinen Jüngern allein; und
Philippus sagt zu ihm: «Herr, zeige uns den Vater, und es
genügt uns.» Seine Antwort lautet: So lange bin ich schon
bei euch, und du kennst mich nicht, Philippus? Wer mich gesehen
hat, hat auch den Vater gesehen. Eine weitere Frage in der
Schule: «Herr, wir wissen nicht, wohin du gehst; wie sollen wir
da den Weg wissen» - «Ich bin der Weg, die Wahrheit...» Ich
bin die Wahrheit. Die Wahrheit ist nicht etwas; die Wahrheit ist
eine Person. Nun, das alles gehört zur Schule Christi, das
Gewahrwerden, dass Christus die Wahrheit ist.
Ich weiß nicht, wie
stark ihr bezüglich dieser Sache empfindet, aber das Ziel für
unsere Zeit, die wir hier gemeinsam verbringen, ist, dass wir
hinsichtlich dieser Dinge stark beeindruckt werden. Welche
Gefühle habt ihr, wenn es darum geht, ein wahres Fundament zu
haben? Und letztlich ist das wichtigste Kennzeichen eines
Fundamentes die Wahrheit, und diese sollte gut und wahrhaftig
gelernt werden. Dieses Fundament (der Wahrheit) bringt eine
ziemlich große Verantwortung mit sich, keine geringere
Verantwortung als unser ewiges Wohlergehen und Schicksal, nein,
sogar die Rechtfertigung Gottes selbst. Deshalb muss es absolut
wahr und die Wahrheit selbst sein, und es ist daher sehr nötig,
ihr Lieben, dass wir wissen, wo wir stehen; mit andern Worten:
Wir müssen mit all unserer Unwirklichkeit verfahren, wir müssen
für immer aufhören mit allem, was in unserer Stellung nicht
echt und aufs äußerste wahr ist. Genau das möchten wir nun
einen Augenblick unterstreichen und analysieren. Die Konsequenzen
sind so groß, dass wir es uns nicht leisten können, irgend
etwas Zweifelhaftes in unserer Stellung zu haben.
Es ist so: Ihr und ich
werden eines Tages Gott Auge in Auge gegenüberstehen. Wir werden
Gott in der Ewigkeit von Angesicht zu Angesicht gegenübertreten,
und dann wird sich die Frage erheben: Hat Gott uns gegenüber in
irgend einem Punkt versagt? Werden wir in irgend einer Einzelheit
sagen können: «Herr, du hast mich enttäuscht, du hast dein
Wort nicht gehalten?» Nun, so etwas ist völlig undenkbar, dass
je ein Wesen eine solche Anklage vor Gott hinlegen könnte; es
wird nie möglich sein, Gottes Wahrheit, Wirklichkeit, Treue in
Frage zu stellen. Der Heilige Geist wurde als der Geist der
Wahrheit gesandt, um uns in die ganze Wahrheit einzuführen, so
dass sich also kein Schatten zwischen Gott und uns wird stellen
können, was seine absolute Treue, die Wahrheit bezüglich sich
selbst und bezüglich seines Wortes betrifft. Dazu ist der
Heilige Geist gekommen. Wenn das stimmt, dann wird der Heilige
Geist mit allen Jüngern in der Schule Christi so verfahren, dass
er alles unterbinden wird, was nicht wahr, was nicht echt ist, er
wird jeden Jünger dazu bringen, dass er auf einem Fundament
steht, auf dem er vor Gott am Tage seiner absoluten und
endgültigen Rechtfertigung bestehen kann.
Die
Notwendigkeit eines wahren Fundamentes
Aber damit dies
möglich wird, müssen wir, ihr und ich, unter der Belehrung des
Heiligen Geistes sehr intensiv behandelt werden und an einen
Platz gelangen, wo wir vollkommen Gott angepasst werden, wo wir
völlig auf den Heiligen Geist eingehen, wo nichts in uns zu
finden ist, das dem Heiligen Geist widersteht oder sich ihm
verweigert, wo wir vielmehr völlig offen und bereit sind, auch
die größten Folgen auf uns zu nehmen, wenn der Heilige Geist
seinen Finger auf irgend etwas legt in unserem Leben, das
behandelt und angepasst werden muss. Dazu ist er da.
Die Alternative zu
einem solchen Werk, das wir den Heiligen Geist in uns tun lassen,
ist die, dass wir uns in einer falschen Stellung befinden, und es
ist viel zu kostspielig, wenn wir uns wirklich in einer falschen
Position befinden, und sei es auch nur in einzelnen Punkten. Es
ist eine falsche Welt, in der wir (dann) leben, eine Welt, die
sich aus Lügen zusammensetzt. Die gesamte Konstitution dieser
Welt ist eine Lüge, und sie sitzt auch in der ganzen Natur des
Menschen, obwohl unzählige es nicht wissen, sondern meinen, sie
seien wahr. Sie versuchen, die Welt auf ein falsches Fundament zu
bauen. Das Reich Gottes ist vollständig anders. Es ist auf Jesus
Christus gebaut, die Wahrheit in Person.
Nun, im Augenblick
geht es mir um die Notwendigkeit einer wahren Position, was uns
betrifft. Wie nötig sind Männer und Frauen, in welche die
Wahrheit Gottes gewirkt worden ist und die mit Gott vorwärts
gehen, was immer es sie auch kosten mag. «Wer wird hinaufsteigen
auf den Berg des Herrn? Wer Wahrheit redet in seinem Herzen...»
Wer zu seinem eigenen Schaden schwört - das heißt, wer sich auf
die Seite der Wahrhaftigkeit stellt, auch wenn dies ihm teuer zu
stehen kommt. Wir werden von allen möglichen falschen
Erwägungen beeinflusst, davon, was andere denken und sagen
werden, besonders diejenigen in unseren religiösen Kreisen und
in unserer Tradition; und gerade dies sind falsche Erwägungen
und falsche Einflüsse. Sie binden viele Männer und Frauen und
halten sie davon ab, mit Gott auf dem Wege des Lichtes
weiterzugehen. Das Ergebnis ist schließlich eine falsche
Position, ( in der sie sich befinden).
Ihr Lieben, werdet ihr
es annehmen, wenn ich sage, dass es in uns keine Wahrheit gibt?
Dies ist zum Beispiel eines der Dinge, die wir unter der
Behandlung des Heiligen Geistes herausfinden: dass es von Natur
aus in unserem Sinn keine Wahrheit gibt. Wir mögen die stärkste
Überzeugung haben, und wir mögen sogar bereit sein, unser Leben
für unsere Überzeugung zu lassen, und mögen alles Übrige in
den Feuerofen geben um dessentwillen, von dem wir glauben, es sei
richtig, wahr - und gerade darin werden wir aufs äußerste im
Irrtum sein. Denn so verhielt es sich auch bei Saulus von Tarsus
- «Ich glaubte, viele Dinge gegen den Namen Jesus von Nazareth
unternehmen zu müssen» (Apg. 26.9). Und ferner: «Die Stunde
kommt, da jeder, der euch töten wird, glaubt, er tue Gott einen
besonderen Dienst damit» (Joh. 16.2); so sehr eifern sie für
ihre Überzeugung - «Das ist Gottes Wille!» Gottes Wille! Sie
sind überzeugt, dass es Gottes Wille ist; einige setzen ihr
ganzes Leben für die Kraft ihrer Überzeugung ein, und andere
wiederum beanspruchen das Leben anderer für die Kraft ihrer
Überzeugung. Wie weit gehen wir doch für unsere «so starken
Überzeugungen» und sind dabei trotzdem völlig im Irrtum; wir
sind so stark im Irrtum, wie wir es dabei ernst meinen. Eine
falsche Überzeugung - es gibt nicht einen einzigen menschlichen
Sinn, der nicht fähig wäre, in einen derartigen Zustand zu
geraten. Der Same dafür liegt in der menschlichen Natur, in
jedem von uns; im Sinn in der Gestalt der Überzeugung; im Herzen
in der Gestalt der Begierde. Wir mögen glauben, unser Verlangen
sei vollkommen rein und richtig, und dabei kann es doch äußerst
falsch sein. Und genau so verhält es sich mit unserem Willen. In
uns gibt es von Natur aus keine Wahrheit.
Durch
die Wahrheit leben
Ich will direkt ins
Innere dieser Sache gelangen. Was ist ein Christ? Ein Christ ist
jemand, der einst kein ausgeglichener Mensch war, nun aber
ausgeglichen ist; einst war er nicht sehr genial, jetzt jedoch
ist er sehr genial; einst war er nicht sehr eifrig, heute jedoch
ist er sehr eifrig; er ist ein Mensch, der sich heute in einer
andern Position befindet als früher. Ist das eine wahre
Definition eines Christen? Gebt mir ein homöopathisches
Untersuchungszimmer, bringt mir dazu eine äußerst reizbare
Person. Dann reicht mir eine Dosis von - ja, von was denn? - zum
Beispiel nux vomica. In zwei oder drei Stunden wird er ein
äußerst ausgeglichener Mensch sein. Ist er nun deshalb ein
Christ? Gebt ihm etwas anderes; macht ihn wieder zu dem, was er
vorhin war. War er gerettet und ist er wieder rückfällig
geworden? Drogen können das Verhalten eines Menschen innerhalb
von wenigen Stunden völlig verändern. Wenn ihr vorher
lethargisch, sorglos, indifferent gewesen seid, werdet ihr
vielleicht lebendig, voller Energie, aktiv; wart ihr elend,
unzufrieden, mürrisch, melancholisch, nicht einverstanden,
reizbar, werdet ihr freundlich, angenehm, befreit von diesem
ganzen nervösen Stress, der euch so hat werden lassen, und von
dieser ganzen unordentlichen Verdauung, die euch zu einem solchen
unausstehlichen Menschen gemacht hat. Für kurze Zeit habt ihr
also mittels Drogen einen Christen hervorgebracht! Ihr seht, was
ich meine.
O nein, so ist es
keinesfalls. Ein Christ kann sehr wohl in seinem Inneren eine
Agonie durchmachen und sich seiner Reizbarkeit bewusst sein, des
Stresses, der sein Nervensystem belastet und ihm das Gefühl
vermittelt, als sei er innerlich beinahe ein Teufel; das kann
alles physisch sein, nervlich bedingt; sein ganzes System mag
durcheinander geraten sein - und doch, tief im Innern dieses
Mannes oder dieser Frau bleibt die ewige Tatsache bestehen. Da
ist ein wiedergeborenes Kind Gottes, und Christus ist in ihm
vollständig anders; und wie sich das Kind Gottes in seinem
Körper und seiner Seele auch immer fühlen mag, spielt
überhaupt keine Rolle: Christus ist anders.
Wo ist die Wahrheit?
Wenn die Wahrheit hinsichtlich meiner Errettung im Bereich meiner
Gefühle, meines Verdauungssystems, meines nervlichen Organismus
liegt, werde ich ein armseliger Christ sein; denn diese Dinge
wechseln von Tag zu Tag, je nach Wetter oder den jeweiligen
Umständen. O nein! Wahrheit - wo ist Wahrheit? «Nicht was ich
bin, sondern was Du bist.» Darin ist die Wahrheit. «Ihr werdet
die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch freimachen!»
Von was? Von Knechtschaft. Aber von was für einer Knechtschaft?
Von der, dass Satan mit seinen Ketten der Verdammnis über euch
rasselt, weil ihr heute den Eindruck habt, euren Mann nicht so
stellen zu können. Ihr fühlt euch in schlechter Verfassung, ihr
fühlt euch bedrückt, ihr fühlt Tod rund um euch herum, ihr
seid gereizt, und da kommt Satan daher und sagt: Du bist doch gar
kein Christ! Ein feiner Christ bist du! - und schon liegt ihr am
Boden. Ist das die Wahrheit? Nein, es ist eine Lüge! Die einzige
Antwort, die zur Befreiung und Emanzipation führt, lautet: «Es
geht nicht um das, was ich bin, sondern um das, was Er ist;
Christus bleibt stets derselbe.» Er ist nicht wie ich, er
ändert sich in diesem menschlichen Leben nicht von Stunde zu
Stunde und von Tag zu Tag: Er ist anders.
Bitte verzeiht mir, dass ich das so stark
betone, aber ich habe den Eindruck, dass dies der einzige Weg
ist, durch den wir wirklich gerettet sind. Seht ihr, Jesus sagt:
«Ich bin die Wahrheit.» Was also ist die Wahrheit? Es ist
dasjenige, was sich gegen alle Argumente Satans, der ein Lügner
und der Vater der Lüge ist, behauptet. Es ist dasjenige, was uns
von diesem falschen Selbst, das wir sind, befreit; und wir sind
ein falsches Selbst. Wir sind ein Bündel Widersprüche. Wir
können nie sicher sein, dass wir über längere Zeit gleichen
Sinnes sein werden, dass unsere Überzeugungen nicht plötzlich
einen Schwenker vollziehen. O nein; nicht wir sind es, Christus
ist es! Ihr seht, in welch falscher Position wir uns befänden,
stünden wir auf jener andern Ebene der Natur (des natürlichen
Menschen). Was für ein Spiel könnte der Teufel da mit uns
treiben!
Ich benutze diese
Illustrationen, um zum Herzen der Sache vor zu stoßen. Was ist
die Wahrheit? Was ist wahr? Sie findet sich nicht in uns. Wir
sind in keinem Teil unseres Wesens wahr. Christus allein ist
Wahrheit, und ihr und ich, wir haben zu lernen, von Christus zu
leben, und so lange wir das nicht gelernt haben, kann der Heilige
Geist das andere nicht tun. Vielleicht sagt ihr nun: Aber
verliert denn ein wahrer Christ nicht doch weniger leicht seine
Fassung? Besteht denn überhaupt kein Unterschied? Ist es denn in
Ordnung, wenn ein Christ leicht reizbar ist? Nun, das habe ich ja
auch nicht behauptet; ich will nicht, dass ihr das so seht. Ich
habe vielmehr gesagt, in der Schule, in der wir uns befinden, sei
es so, dass, so lange wir, ihr und ich, nicht gelernt haben,
durch Glauben uns an Christus zu halten, der Heilige Geist keinen
Grund hat, auf dem er wirken kann, um uns Christus gleichförmig
zu machen. Wenn wir auf der falschen Grundlage von uns selbst
leben, lässt uns der Heilige Geist, wie wir sind. Gelingt es uns
aber, durch Glauben an Christus zu leben, so kann der Heilige
Geist kommen und Christus in uns gestalten und uns den Sieg und
die Herrschaft über uns selbst lehren; auch wird er uns durch
Befreiung lehren, wie wir nicht zu einer Beute unserer guten oder
schlechten Gefühle, unserer schlechten Verfassung, werden,
sondern stattdessen auf einer ganz andern Stufe leben können.
Ich meine damit, dass ihr bereits einer ganzen Menge von
Problemen den Boden entzieht, wenn ihr wirklich Christus zu eurem
Grunde gewinnt.
Nehmt zum Beispiel die
Reizbarkeit. Natürlich wird es unter euch solche geben, die nie
auf diese Weise leiden werden; andere jedoch wissen vermutlich,
was für ein Kampf das ist. Nehmen wir also folgenden Fall an.
Heute fühlen wir uns völlig nervös, angespannt, kurz
angebunden. Was werden wir diesbezüglich unternehmen? Werden wir
es zu unserem Christenleben machen, oder etwa zur Verneinung
unseres Christenlebens? Geraten wir auf diesen Grund, ist Satan
schnell bereit, das Beste daraus zu machen und uns in eine
fürchterliche Knechtschaft zu bringen, ja, schließlich unser
geistliches Leben zu töten. Nehmt ihr jedoch diese Stellung ein:
«Ja, es stimmt, so fühle ich mich heute, aber, Herr Jesus, du
bist anders als ich und ich ruhe ganz einfach in dir, ich halte
mich an dir fest, ich mache dich zu meinem Leben» - dann merkt
ihr, was ihr getan habt. Ihr habt dem Teufel vollständig den
Boden unter den Füssen weggezogen, und ihr werdet auch
feststellen, dass entlang dieser Linie (das heißt wenn ich mich
an das halte, was Christus in mir ist und nicht an das, was ich
selber bin) Friede und Ruhe herrschen; und wenn ihr euch in eurem
äußeren Teil (das heißt im Fleische) schlecht fühlt, so seid
ihr dennoch innerlich voller Ruhe. Der Feind ist von eurem
Innersten ausgeschlossen, er hat dort keinen Platz. Der Friede
Gottes steht über eurem Herzen und Sinn Wache durch Jesus
Christus; die Zitadelle ist in Sicherheit. Was Satan immer wieder
zu tun versucht, ist, durch den Körper oder die Seele in den
Geist einzudringen, die Festung, den Geist, einzunehmen und sie
in Knechtschaft zu setzen. Aber wir können innerlich sehr frei
bleiben, auch wenn es uns äußerlich nicht gut geht. Das ist
Freiheit durch Wahrheit. Das ist die Wahrheit! Sie ist keine
Sache, keine Überzeugung, (kein Zustand), sondern eine Person.
Wahrheit ist das, was Christus ist, und er ist nun einmal
vollständig verschieden von dem, was wir sind. Nun, der Heilige
Geist möchte uns als der Geist der Wahrheit lehren, dass das
einzige, worum es geht, das ist, in Christus zu bleiben. Die
Alternativen dazu sind, dass wir uns in uns selbst verkriechen,
oder uns an andere Leute hängen, oder an die Welt, und das alles
mit dem Verstand. Bleibt in Christus, und dann habt ihr Ruhe; da
ist Friede, da ist Befreiung.
Aber vergesst nicht,
dass, wenn wir es mit dem Heiligen Geist wirklich ernst meinen,
er nicht zulassen wird, dass wir verführt werden. Ich meine
damit, dass der Heilige Geist unser wahres Selbst aufdecken wird.
Er wird uns bloßlegen und uns gründlich zeigen, dass in uns
nichts Gesundes ist, nichts, auf das wir uns verlassen könnten;
und er wird uns mit gleicher Deutlichkeit klarmachen, dass es nur
in Christus, dem Sohne Gottes, Sicherheit und Leben geben kann.
Irgendwie fühle ich,
dass ich nicht imstande bin, euch das mitzuteilen, was auf meinem
Herzen ist. So viele Leute glauben, das geistliche Leben, das
Leben eines Kindes Gottes, sei eine Sache von «Dingen». Eines
der Dinge ist etwa «die Botschaft vom Kreuz». Ein anderes
«Ding» heißt «Heiligung». Dann gibt es ein «Ding», das
Befreiung genannt wird. Ein weiteres «Ding» heißt
«Tod mit Christus» (co-death) - all das sind Dinge. Diese Leute
versuchen alle, «es» zu erlangen; aber auf diesem Wege
gibt es überhaupt keine Befreiung. Es funktioniert einfach
nicht. «Dinge» funktionieren nicht! Es ist alles die Sache
einer Person, des Herrn Jesus; der Heilige Geist wird uns nie
durch ein «Es» erretten! Er wird uns immer zur Person führen,
und er wird Christus zur Grundlage unseres Lebens, unserer
Befreiung, ja, von allem machen. So spricht auch das Wort:
«Christus Jesus... der uns gemacht ist zur Weisheit von Gott,
zur Gerechtigkeit und Heiligung und Erlösung.»
Die
bleibende Notwendigkeit des Glaubens
Nun, ich muss
schließen. Das Werk des Heiligen Geistes ist es, uns Christus
gleich zu gestalten, uns die Gestalt Christi annehmen zu lassen,
Christus in uns zu formen. Aber Christus wird trotzdem stets
anders sein als wir, so dass es nie an einem Aufruf zum Glauben
fehlen wird. Oder glaubt ihr, ihr werdet in unserer Pilgerschaft
einen Punkt erreichen, wo ihr den Glauben entbehren könnt? Das
ist eine trügerische Hoffnung. Glaube ist nach wie vor nötig,
sowohl in den letzten Augenblicken unseres Lebens als auch zu
jedem anderen Zeitpunkt. Der Glaube ist eine bleibende
Anforderung für die ganze Dauer unseres Lebens. Wenn dies wahr
ist, dann können wir jede Hoffnung darauf fahren lassen, die
«Dinge» je in uns selbst zu besitzen. Das war ja gerade die
erste Sünde Adams, er traf diese seine Wahl, er wollte nicht
alles durch Glauben an Gott haben, sondern alles in
Unabhängigkeit in sich selbst, was den Glauben überflüssig
machen sollte. So sündigte er durch Unglauben, und jede Sünde,
die seither aufgetreten ist, lässt sich auf dies eine
zurückführen: auf Ungehorsam. Der Glaube ist der große Faktor
der Erlösung, der Errettung, der Heiligung, der Verherrlichung;
alles haben wir nur durch Glauben. Er zerstört das Werk des
Teufels. Und Glaube bedeutet ganz einfach, dass wir in eine
Stellung versetzt worden sind, wo wir nichts in uns selbst haben;
wir haben es bloß in einem andern, und wir können es überhaupt
nur kennen und genießen in diesem Andern. So kehrt Galater 2.20
stets mit neuer Kraft wieder: «Ich bin mit Christus gekreuzigt;
und nicht mehr lebe ich, sondern Christus lebt in mir. Und das
Leben, das ich jetzt im Fleisch lebe, lebe ich im Glauben,
im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich selbst
für mich hingegeben hat.» Ich lebe also das Leben im Fleisch
durch Glauben an den Sohn Gottes.
Möge uns der Herr
dieses Wort interpretieren.
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