Die Schule Christi
von
T. Austin-Sparks
Kapitel 7 - Unter der Salbung lernen
Schriftlesung:
Matthäus 3.16; 11.29; Johannes 1.4; 1.51; Römer 8.2; 2.
Korinther 3.16-18
In der Schule Christi
ist Christus die große Lektion (die es zu lernen gilt), und der
Geist ist der große Lehrer; in dieser Schule ist die Belehrung
nicht objektiver, sondern subjektiver Natur, es werden nicht
Dinge gelehrt, sondern Christus wird auf eine inwendige Weise,
durch die Erfahrung, ein Teil von uns. Das ist die Natur dieser
Schule.
Die
Bedeutung der Salbung
«Ihr werdet die
Himmel geöffnet sehen.» «Er sah den Himmel offen und den Geist
Gottes auf ihn hernieder steigen.» Welches ist die Bedeutung der
Salbung des Heiligen Geistes? Es ist nichts Geringeres und nichts
anderes als dies, dass der Heilige Geist seinen Platz als
absoluter Herr einnimmt. Die Salbung bringt die absolute
Herrschaft des Heiligen Geistes mit sich; der Geist ist der Herr.
Das bedeutet, dass alle übrigen Herrschaften entthront und
beseitigt worden sind; zum Beispiel die Herrschaft unseres
eigenen Lebens; die Herrschaft unseres Verstandes (unseres
Sinnes, unserer Meinung, unserer Ansicht), unseres eigenen
Willens, unseres eigenen Verlangens; oder auch die Herrschaft
anderer (über uns). Es bedeutet, dass die Herrschaft jedes
Interesses und jedes Einflusses der ungeteilten und
uneingeschränkten Herrschaft des Heiligen Geistes Platz machen
muss, und man kann die Salbung nie kennen lernen, genießen,
solange das nicht stattgefunden hat. Dies ist der Grund, weshalb
der Herr Jesus in die Wasser des Jordans hinunter gestiegen ist,
indem er als Vorbild, als Typus, stellvertretend den Platz des
Menschen einnahm, so dass er von diesem Augenblick (der Taufe) an
nicht mehr unter der Herrschaft seines eigenen (obwohl
sündlosen) Lebens stehen sollte, und zwar in jeder Hinsicht,
während er den Willen Gottes ausführte, sondern sich völlig
und endgültig in jedem Detail dem Geiste Gottes unterwarf. Das
Grab des Jordans stellte die Beseitigung jeder unabhängigen
Herrschaft dar, jeder anderen Herrschaft, jedes anderen
Einflusses, und wenn ihr das geistliche Leben Christi in den
Evangelien lest, könnt ihr feststellen, dass dies die Position
ist, an die er sich in jedem Augenblick klammerte. Groß und
mächtig waren die Einflüsse, die auf ihn einstürmten und seine
Bewegungen beherrschen wollten. Manchmal war es die ganze Kraft
von Satans Angriffen, die darauf hinzielten, dass er gewisse
Dinge um seiner selbst willen tat, oder um das weitere physische
zu gewährleisten. Manchmal kleidete sich Satan in die Argumente
und Überzeugungen seiner Anhänger, wodurch sie versuchten, ihn
von einem bestimmten Kurs abzuhalten, oder ihn beeinflussen
wollten, sein Leben zu verlängern, indem sie ihm bestimmte
Leiden ersparen wollten. Auf verschiedene Weise traten Einflüsse
von allen Seiten an ihn heran, und viele der Ratschläge waren
scheinbar so weise und gut. Zum Beispiel als es darum ging, zum
Fest nach Jerusalem hinaufzuziehen, drang man in ihn, und sagte
im Grunde: Jedermann geht doch hinauf; wenn du nicht auch
hinaufziehst, wird das deine Sache in ein schiefes Licht stellen;
willst du sie aber fördern, musst du mit der akzeptierten
religiösen Sitte einig gehen; du wirst nur verlieren, wenn du
nicht gehst. Du verbirgst deinen Einfluss, du wirst den Bereich
deiner Nützlichkeit einschränken (statt ausdehnen). Was für
eine Herausforderung bedeutet das doch, wenn euch etwas sehr auf
dem Herzen liegt, irgend eine Sache für Gott, deren Erfolg von
größter Bedeutung ist. Solcherart waren alle Einflüsse, die
auf ihn einstürmten. Aber sei es nun Satan, der mit der ganzen
Direktheit seiner Schläue daherkommt, mit seiner Klugheit, mit
seinen Einflüsterungen, oder sei es durch liebe und recht intime
Jünger oder Anhänger, wie immer das Argument auch lauten
mochte, ihr konntet jenen Menschen (Jesus) nicht dazu bringen,
auch nur um Haaresbreite von seinem Prinzip abzuweichen. «Ich
stehe unter der Salbung; ich bin der absoluten Souveränität des
Heiligen Geistes verpflichtet, und ich kann mich nicht bewegen,
wie groß auch die Kosten sein mögen. Koste es mein Leben, koste
es meinen Einfluss, koste es meinen guten Ruf, mag es alles
kosten, was mir teuer ist, ich kann mich nicht bewegen, es sei
denn, ich wisse vom Heiligen Geist, dass es Gottes Sinn und kein
anderer Sinn ist, Gottes Wille und kein anderer Wille, dass diese
Sache von Gott kommt.» So stellte er alles vorerst zurück, bis
er in seinem Geist wusste, wozu der Geist Gottes Zeugnis ablegte.
Er lebte diesem Prinzip, diesem Gesetz der absoluten Autorität
und Herrschaft der Salbung gemäß, und genau zu diesem Zweck war
die Salbung auch gekommen.
Das
ist die Bedeutung der Salbung. Bittet ihr um die Salbung des
Heiligen Geistes? Warum bittet ihr um die Salbung des Heiligen
Geistes? Ist die Salbung etwas, wonach ihr begehrt? Wozu? Damit
ihr gebraucht werdet, damit ihr Kraft empfangt, damit ihr
Einfluss habt, damit ihr fähig seid, eine Menge wunderbarer
Dinge zu tun? Ihr Lieben, das erste und vorrangigste, das die
Salbung bedeutet, ist, dass wir nichts tun, als was uns die
Salbung lehrt und wozu sie uns führt. Die Salbung nimmt alles
aus unseren Händen. Die Salbung kümmert sich um unseren Ruf.
Die Salbung kümmert sich um den Vorsatz Gottes. Die Salbung
übernimmt die vollständige Kontrolle über alles, und von
diesem Augenblick an ist alles unter den Händen des Heiligen
Geistes. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir Christus nur
dadurch lernen, dass der Heilige Geist uns behandelt, und das
bedeutet, dass wir den genau gleichen Weg wie Christus zu gehen
haben, sowohl dem Prinzip wie dem Gesetz gemäß.
So können wir sehen,
dass wir im Johannesevangelium, welches in besonderer Weise das
Evangelium der geistlichen Schule Christi ist, nicht sehr weit
kommen, bis wir ihn sagen hören: «Der Sohn kann nichts von sich
selber tun.» «Die Worte, die ich zu euch spreche, stammen nicht
von mir.» «Die Werke, die ich tue, sind nicht mein; der Vater,
der in mir wohnt, tut seine Werke.» «Der Sohn kann von sich
selber nichts tun.» Seht ihr, das ist die negative Seite der
Salbung. Die positive lässt sich mit einem Wort zusammenfassen:
Allein der Vater. Vielleicht unterscheidet sich diese Vorstellung
von der Salbung ein wenig von derjenigen, die wir hatten. Oh, vom
Heiligen Geist gesalbt zu sein! Welche Wunder werden folgen; wie
wunderbar ist doch ein solches Leben! (So denken viele, wenn von
der Salbung die Rede ist.) Aber das erste und bleibende in Bezug
auf die Salbung ist dies, dass wir von der Herrschaft des Geistes
gefangen genommen worden sind, so dass gar nichts geschehen kann,
wenn er es nicht tut. Gar nichts! Das ist gewiss keine angenehme
Erfahrung, wenn das natürliche Leben stark ist und irgendwie die
Oberhand hat. Deshalb muss zuerst der Jordan kommen, bevor die
Salbung stattfinden kann. Die Beseitigung dieser natürlichen
Stärke und des Eigenlebens ist eine Notwendigkeit, denn die
Salbung bringt wesentlich die absolute Herrschaft des Geistes mit
sich.
Ihr könnt das
Ergebnis dieser Tatsache in 2. Kor. 3.16 erkennen. «Wenn es sich
zum Herrn wenden wird», das heißt wenn der Herr im Blickfeld
steht, «wird der Vorhang (die Decke) weggenommen, und wir alle
werden, mit unverhülltem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn
anschauend, verwandelt werden in dasselbe Bild, als durch den
Herrn, den Geist.» Ihr seid in der Schule, und ihr könnt
Christus erkennen und Christus lernen. Und das bedeutet, dass wir
unter der Herrschaft des Geistes in das Bild Christi verwandelt
werden. «Wenn es sich zum Herrn wenden wird» - das heißt wenn
der Herr allein in unserem Blickfeld steht. Aber bei uns
Christen, bei uns so sehr hingegebenen, sehr ernsthaften
Christen, wie lange braucht es doch, bis der Herr allein in
unserem Blickfeld steht. Sagen wir damit etwas Schreckliches? Wir
sagen doch, wir liebten den Herrn; ja, aber wir lieben es ebenso
sehr, wenn wir unseren eigenen Willen auch haben, und wir lieben
es gar nicht, wenn uns ein Strich durch unsere Rechnung gemacht
wird. Hat irgend jemand unter euch jenen geistlichen Punkt
erreicht, wo er nie mehr Unstimmigkeiten mit dem Herrn hat? O
nein, wir alle befinden uns noch an einem Ort, wo wir so oft
meinen, es liege im Interesse des Herrn, dass unser Herz sich in
eine bestimmte Richtung neigt, aber der Herr lässt es nicht zu;
wir werden unzufrieden (we have a bad time), und schon haben wir
uns absolut verraten! Unser Herz war darin (das heißt es lag uns
so sehr daran). Es war für uns keineswegs leicht zu sagen: «Nun
gut, Herr, es gefällt mir so ebenso gut, als wenn du es mich
hättest tun lassen; deinen Willen, o Herr, tue ich gern.» Wir
sind im Gegenteil enttäuscht, dass der Herr es uns nicht hat tun
lassen; oder, wenn der Herr Zeit verstreichen lässt, wie schlimm
ist das doch für uns! Oh, könnten wir doch endlich damit
beginnen und es tun! Die Zeit stellt uns bloß. Trifft das nicht
auf die meisten von uns zu? Ja, es stimmt. Wir passen in dieses
Bild, und das bedeutet schließlich nichts anderes, als dass der
Herr nicht unser einziges Ziel ist, wie wir glaubten. Wir haben
noch ein anderes Ziel neben dem Herrn und zusammen mit dem Herrn,
nämlich etwas, das wir tun oder sein möchten; wir möchten
irgend wohin gehen, wir möchten irgend etwas haben. Das alles
ist vorhanden, und der Heilige Geist weiß alles. In dieser
Schule Christi, wo Gottes Ziel Christus ist, nur Christus,
absolut Christus, bedeutet die Salbung genau dies: Dass Christus
der Herr sein muss durch den Geist. Die Salbung nimmt diese
Stellung ein. Nun, so viel für den Augenblick, was die Bedeutung
der Salbung betrifft. Das war bei ihm so, und es muss auch bei
uns so sein.
«Herrschaft»
und «Unterwerfung»
Wenn wir in dieser
Schule graduieren wollen, wenn wir aus dieser Schule in die
Herrlichkeit übertreten wollen, in die letzte, volle
Herrlichkeit Christi, um in seinem Königreich ein kompetentes
Instrument für seine Regierung zu sein, so ist der einzige Weg,
diese geistliche, göttliche, himmlische Regierung zu lernen,
welche ja seine Bestimmung für seine Heiligen ist, die
Unterwerfung unter den Heiligen Geist. Es ist ein sehr
interessantes Wort, das Wort «Unterwerfung» im Neuen Testament.
Ich glaube, es ist oft recht falsch behandelt worden, und man hat
ihm eine falsche und unangenehme Bedeutung zugelegt. Gewöhnlich
stellt man sich unter Unterwerfung vor, man werde gewaltsam
hinuntergepresst, man werde die ganze Zeit unten gehalten,
unterdrückt. «Ihr Frauen, seid unterwürfig euren Männern als
dem Herrn.» Das wird doch so interpretiert: «Ihr habt euch zu
unterordnen»; dabei hat dieses Wort überhaupt nicht diese
Bedeutung. Wie sollen wir nur das erklären, was das griechische
Wort für «Unterwerfung, Unterordnung» wirklich meint? Also,
ihr schreibt Nr. 1 auf, und dann schreibt ihr Unterwerfung oder
Unterordnung (als zweites). Wie wollt ihr es schreiben?
Jedenfalls nicht so, dass ihr eine andere 1 darunter schreibt.
Das Wort bedeutet nämlich: Ein «Sich-entlang-Stellen» oder
«Hinter-hergehen». Hier ist Nr. 1, aber das ist die erste Zahl,
sie steht vor allem, was nachher folgt. Diese 1 regiert alles
Übrige und gibt ihm seinen Wert. Unterwerfung bedeutet, dass Er
in allem den Vorrang hat. Wir kommen nachher und erhalten unsern
Wert von ihm. Es bedeutet nicht, dass wir niedergedrückt werden,
sondern dass wir von ihm als dem ersten abgeleitet werden. Und
ihr werdet nie von ihm profitieren, solange ihr nichts von der
Unterwerfung unter ihn kennt. Das heißt: Ihr kommt nachher, ihr
nehmt den zweiten Platz ein; ihr nehmt den Platz ein, durch
welchen ihr allen Nutzen (von ihm) beziehen könnt. Ihr erhaltet
Wert, indem ihr einen bestimmten Platz einnehmt. Die Gemeinde ist
Christus nicht in einem repressiven Sinne unterworfen, sie ist
nicht unter seiner Ferse oder unter seinem Daumen, sondern sie
kommt einfach nach ihm, sie ist an seiner Seite (alongside), so
dass er den Vorrang hat, und die Gemeinde, seine Braut, bezieht
und genießt allen Nutzen von seinem Vorrang, davon, dass er den
ersten Platz hat. Die Gemeinde an zweiter Stelle, ja; aber wer
macht sich denn etwas aus dem zweiten Platz, wenn er alle Werte
des ersten Platzes genießt, indem er den zweiten Platz einnimmt?
Das ist Unterwerfung. Der Herr stellt sich bezüglich der
Gemeinde vor, dass sie alles haben sollte. Wie aber erlangt sie
es? Nicht, indem sie den ersten Platz einnimmt, sondern an des
Herrn Seite tritt und ihm in allen Dingen den Vorrang
überlässt. Das ist Unterordnung, Unterwerfung. Die Herrschaft
des Geistes ist nicht etwas Hartes, das uns Dinge wegnimmt, das
uns alles wegnehmen will, etwas, das uns die ganze Zeit unten
hält, so dass wir uns nicht zu bewegen getrauen. Die Herrschaft
des Geistes will uns in die ganze Fülle dieser Hauptesstellung
(headship) bringen. Aber wir müssen lernen, was diese Herrschaft
ist, bevor wir in diese Fülle kommen können. Von seiner Fülle
empfangen wir.
Die Schwierigkeit
bestand von den Tagen Adams bis heute darin, dass der Mensch
nicht die Fülle eines andern wollte, sondern seine eigene; er
wollte sie in sich selbst und nicht in einem andern haben. Der
Heilige Geist aber zieht den Boden unter unsern Füssen weg und
sagt: Es ist seine Fülle, sie ist in ihm. Er muss seinen Platz
der absoluten Herrschaft haben, bevor wir seine Fülle kennen
lernen können. Das ist für den Augenblick, glaube ich, genug,
was die Bedeutung der Salbung betrifft. Begreift ihr es? Der Herr
gibt uns Gnade, dass wir die Bedeutung des Jordan verstehen,
damit wir einen offenen Himmel haben, und durch den offenen
Himmel auch die Salbung, die uns die ganze Fülle des Himmels
einbringt. Aber dies bedeutet eben die absolute Herrschaft des
Geistes. Lektion Nr. 1 in der Schule Christi - oh, das ist gar
nicht Lektion Nr. 1, es ist die eigentliche Grundlage, auf der
wir überhaupt in gelangen; es ist die
Aufnahmeprüfung. Wir gelangen nie in diese Schule, solange wir
die Herrschaft des Heiligen Geistes nicht akzeptieren. Das ist
der Grund, weshalb so viele es nicht sehr weit bringen in der
Erkenntnis des Herrn. Sie haben nie die damit verbundenen
Bedingungen der Salbung akzeptiert, sie sind nie wirklich in den
Jordan hinunter gekommen. Ihr Fortschritt, ihr Lernprozess geht
sehr langsam vor sich, und er ist sehr armselig. Findet eine
Person, die die Bedeutung des Kreuzes wirklich kennt, die
Bedeutung des Jordans, dass er den Weg für die Herrschaft des
Geistes ebnet, und ihr werdet bei ihr schnelles Wachstum finden,
ihr findet geistliche Entwicklung, die allen andern vorauseilt.
Es ist so wahr. Es ist etwas Vorgängiges, die Eintrittsprüfung.
Die
erste Lektion in der Schule Christi
Seid ihr aber erst
einmal in der Schule, dann beginnt die Lektion Nr. 1. Es ist nur
eine Wiederholung von dem, was wir früher schon sehr stark zum
Ausdruck gebracht haben. Die erste Lektion in der Schule Christi
ist das, was wir die absolute «Andersheit» Christi genannt
haben im Vergleich zu uns. Dies ist vielleicht nicht bloß die
erste Lektion, sondern eine fortgesetzte Lektion unser ganzes
Leben lang. Aber es ist diese Sache, mit der der Heilige Geist
beginnt, mit der vollständigen «Andersheit» Christi im
Vergleich zu uns. Greift zum Johannesevangelium mit diesem einen
Gedanken im Sinn und lest es nochmals, ruhig und durchgehend. Wie
anders ist Christus doch als alle andern Menschen, anders auch
als seine Jünger. Dann könnt ihr mit dem gleichen Gedanken zu
den andern Evangelien übergehen. Es wird für euch eine
Erziehung bedeuten, wenn der Heilige Geist mit euch ist, während
ihr lest. Wie absolut anders ist er doch! Wieder und wieder wird
dieser Unterschied hervorgehoben. «Ihr seid von unten, ich bin
von oben» (Joh. 8.23). Das ist der Unterschied, und dieser
Unterschied führt ständig zu Zusammenstössen. Er stößt
zusammen mit Urteilen, mit Mentalitäten, mit dem Sinn, mit
Vorstellungen, mit bestimmten Werten (die dem Menschen bisher
teuer waren), er stößt mit allem zusammen, was zwischen ihn und
die andern tritt, selbst mit seinen Jüngern, die mit ihm in
seiner Schule waren. Seine Natur ist anders. Er hat eine
himmlische Natur, eine göttliche Natur. Niemand sonst hat dies.
Er hat einen himmlischen Sinn, eine himmlische Mentalität. Sie
(die andern) haben eine irdische Mentalität, und die beiden
treffen sich nirgends. Wenn das letzte Wort gesprochen war, dann
klaffte ein tiefer Graben zwischen den beiden Teilen (zwischen
ihm und seinen Jüngern). Er ist so vollständig anders.
Nun sagt ihr
vielleicht: Wenn das so ist, dann befinden wir uns in einem sehr
großen Nachteil. Er ist eines, und wir sind etwas anderes. Aber
gerade das ist die Natur und die Bedeutung der Schule. Wie wird
wohl dieses Problem gelöst? Nun, es wird einfach so gelöst,
dass er die ganze Zeit von einer Zeit spricht, da er in ihnen
sein wird und sie in ihm sein werden, und wenn diese Zeit kommt,
werden sie in der innersten und tiefsten Wirklichkeit ihres
Wesens völlig anders sein als was sie in jedem andern Teil ihres
Wesens sind. Das heißt, in ihnen wird das sein, was Christus
ist, das, was Christus in allen ist, was ihn so absolut anders
macht; das wird in ihnen, in ihrer Person sein. In ihrer Seele,
in ihrem Leib werden sie völlig anders sein als er im Zentrum
ihres Geistes sein wird. Manchmal werden sie glauben, das oder
jenes sei das Beste, aber das vollständig andere in ihnen drin
wird sie es nicht tun lassen. Manchmal werden sie denken, es sei
klüger, dies oder jenes nicht zu tun, aber das ganz andere in
ihnen sagt ständig: Fahrt damit fort! Der äußere Mensch sagt:
Das ist Wahnsinn! Ich riskiere nur ein Unglück. Der innere
Mensch sagt: Du musst es tun! Und diese beiden lassen sich nicht
miteinander versöhnen. Er ist im Innern, und er ist vollständig
verschieden (von unserem äußeren Menschen); und unsere
Erziehung besteht darin, dass wir lernen, ihm zu folgen, seinen
Weg zu gehen. «Will jemand mir nachfolgen, so verleugne er sich
selbst... und folge mir nach.» Sich selbst verleugnen - das
heißt: Eure Argumente, eure Urteile, manchmal sogar euren
gesunden Menschenverstand. Folge mir nach - und jedes mal ist
Christus gerechtfertigt (vindicated). Menschen haben vom
Standpunkt der Welt aus schon die verrücktesten Dinge gemacht,
und sie wurden gerechtfertigt. Das ist keine Anregung dazu, dass
ihr anfangen sollt, verrückte Dinge zu tun. Ich spreche von der
Autorität Christi im Innern, davon, dass er so völlig
verschieden ist von uns, und das ist die erste Lektion, die der
Heilige Geist jeden lehrt, der in Christi eintritt:
dass da eine große Kluft, ein großer Unterschied besteht, dass
er eines ist und wir etwas anderes, selbst mit allen unseren
religiösen Bestrebungen. Und wir können nie sicher sein, ob wir
auf der rechten Spur sind, solange wir uns nicht vollständig ihm
unterworfen haben.
Dies ist der Grund,
weshalb das Gebet im Leben eines Kindes Gottes einen so großen
Platz haben muss, und es ist auch der Grund, weshalb das Gebet in
seinem Leben so viel Raum einnahm, als er hier war. Das
Gebetsleben unseres Herrn Jesus ist, im Blick auf einen
bestimmten Bereich und in einem gewissen Sinne, das größte
Problem, das ihr euch vorstellen könnt. Er ist der Christus, er
ist der Sohn Gottes, er steht unter der Salbung des Heiligen
Geistes, und er ist, was seine Person betrifft, ohne Sünde; und
doch muss er Nächte im Gebet zubringen nach einem schweren und
arbeitsreichen Tag. Wieder und wieder trefft ihr ihn im Gebet an.
Warum musste er beten? Weil da noch andere Einflüsse am Werke
waren; da waren noch andere Dinge, die Aufmerksamkeit,
Beantwortung und Gehorsam verlangten, und er musste stets mit der
Salbung einig gehen, in Übereinstimmung sein mit dem Geist,
unter dessen Herrschaft er sich gestellt hatte, weil er nichts
von sich aus entscheiden konnte. Wenn er dies schon tun musste,
wie steht es dann mit uns? Wir befinden uns ja nicht einmal auf
seiner sündlosen Stufe. Wir haben alle das in unserer Natur, was
leidenschaftlich gegen Gott kämpft, sich Gottes Sinn und Gottes
Willen widersetzt. Wieviel nötiger ist es also für uns, ein
Gebetsleben zu haben, durch das dem Geist Gelegenheit gegeben
wird, uns auf geradem Weg zu behalten, uns in Übereinstimmung
mit dem göttlichen Vorsatz zu bewahren, in den Wegen des Herrn
und auch in den Zeiten des Herrn.
Ihr Lieben, wenn es
etwas gibt, was das Kind Gottes unter der Herrschaft des Heiligen
Geistes lernen kann, dann ist es dieses: Wie verschieden er ist
von uns, wie verschieden wir von ihm sind, wie absolut
verschieden. Aber, Gott sei gepriesen, in diesem Heilsabschnitt
(dispensation) ist dieser vollständig andere, sofern wir
wahrhaft Kinder Gottes sind, für uns nicht nur etwas Objektives,
er ist in uns drin! Das ist die zweite Phase in der Angelegenheit
dieser «Andersheit». Die erste Phase besteht in der Tatsache
dieses Andersseins. Wollt ihr dies akzeptieren? Wollt
ihr jetzt, an diesem Punkt, in diesem Augenblick, diese Sache
klarstellen? Der Herr Jesus ist vollkommen anders als ich; selbst
wenn ich glaube, ich sei vollkommen richtig, kann er dennoch
vollständig anders sein, und ich kann mich nie, niemals auf
meinen eigenen Gerechtigkeitssinn verlassen, solange ich mein
Gefühl für das, was richtig ist, nicht ihm unterworfen habe.
Das ist sehr absolut, aber es ist sehr notwendig. Viele unter uns
haben diese Lektion gelernt. Wir reden nicht aus einem Buch, wir
reden aus unserer Erfahrung. Manchmal waren wir recht sicher,
dass wir richtig handelten, und wir haben unsern Sinn für das
Richtige unserem Urteil gemäß ausgeführt und sind dann doch in
Schwierigkeiten geraten; wir verirrten uns in einem richtigen,
undurchdringlichen Nebel und waren äußerst verwirrt. Wir
glaubten, völlig richtig zu liegen, aber wo landeten wir
schließlich? Wenn wir dann über alles nachdenken und es vor dem
Herrn ausbreiten, müssen wir uns fragen: Wie sehr haben wir
wirklich auf den Herrn geharrt in dieser Angelegenheit? Waren wir
mit unserm Gefühl, das Richtige zu tun, nicht etwas voreilig?
Und wieder wären wir bei David und der Bundeslade. Davids Motiv
war völlig in Ordnung, ebenso sein Sinn für das, was Gott
wollte (für Gottes Vorsatz). Dass Gott die Bundeslade in
Jerusalem haben wollte, war vollkommen richtig, aber die ganze
Sache war in Davids Seele bloß als Idee vorhanden, die einen
großen Enthusiasmus in ihm hervorrief; und so machte er den
Wagen. Der gute Beweggrund, die gute Idee, der hingegebene Geist
brachten ihm fürchterliche Schwierigkeiten ein. Der Herr schlug
Uzza, und dieser starb vor dem Herrn, und die Bundeslade kam in
das Haus Obed Edoms; dort blieb sie einstweilen, und das alles,
weil ein Mensch eine an sich gute und richtige Idee hatte, aber
nicht auf den Herrn wartete. Ihr wisst, was dann kam. Später
sagte David zu den Häuptern der Leviten: Heiligt euch, ihr und
eure Brüder, damit ihr die Lade des Herrn, des Gottes Israels,
an den Ort bringen könnt, den er für sie zubereitet hat. Weil
ihr sie beim ersten Mal nicht getragen habt, hat der Herr unter
uns einen Riss gerissen, denn wir haben ihn nicht aufgrund der
Vorschrift gesucht. Die Vorschrift war die ganze Zeit vorhanden
gewesen, aber er hatte nicht auf den Herrn gewartet. Hätte David
seinen frommen Enthusiasmus ruhig vor den Herrn gebracht, so
hätte der Herr ihn an die Vorschrift verwiesen, die er Mose
gegeben hatte und wohl etwa folgendes gesagt: «Ja, die Idee ist
gut, aber denk daran, so muss sie getragen werden.» Es wäre
kein Tod eingetreten, es hätte keinen Aufschub gegeben, die Lade
hätte geradewegs zurückgebracht werden können.
Ja, wir mögen eine
gute Idee haben für den Herrn, aber wir müssen sie dem Herrn
unterstellen, um sicher zu sein, dass es sich nicht um unsere
eigene Idee für den Herrn handelt, sondern um den Sinn des
Herrn, der in uns geboren worden ist. Es ist sehr wichtig,
Christus zu lernen; er ist so ganz anders.
Ihr seht, das teilt
die Christen weit gehend in zwei Klassen. Da ist einmal die sehr
große Klasse von Christen, deren Christentum etwas objektives,
Äußerliches ist. Man hat eine christliche Lebensweise
angenommen, so dass sie nun eine ganze Menge von Dingen tun, die
sie früher nicht taten. Sie besuchen Versammlungen, sie gehen in
die Kirche, sie lesen die Bibel - wie gesagt, eine Menge von
Dingen, die sie früher nicht getan haben; und sie tun jetzt
ebenso eine ganze Menge von Dingen nicht mehr, die sie einst
taten. Mehr oder weniger lässt sich diese Klasse so
charakterisieren. Heute geht es um ein Tun oder nicht Tun, ein
Gehen oder nicht Gehen, einfach darum, dass man äußerlich ein
guter Christ ist. Diese Klasse ist sehr groß, und die Christen
in ihr haben unterschiedliches Licht und sind von
unterschiedlicher Schattierung. In der Tat, es ist eine sehr
große Klasse von Christen.
Dann gibt es andere in
der Schule Christi, für die das Christenleben etwas Inneres ist,
ein Wandeln mit dem Herrn, und ein Kennen des Herrn in seinem
Herzen, und dies in kleinerem oder größerem Masse. Das ist die
Natur dieses Christentums, ein echter, inwendiger Wandel mit dem
lebendigen Herrn in eurem eigenen Herzen. Es besteht zwischen
diesen beiden Klassen ein sehr großer Unterschied.
Das
Gesetz des Geistes oder das Instrument seiner Belehrung
Nun, ich muss zu einem
Abschluss kommen. Wir haben von der absoluten
Andersheit gesprochen; durch welches Mittel aber tut
der Geist uns diese Andersheit kund? Der Geist redet
ja nicht in hörbarer Sprache und mit hörbaren Worten zu uns.
Wir hören keine äußere Stimme, die sagt: Dies ist der Weg,
wandelt darauf! Wie aber kennen wir sie dann? Nun, es ist das,
was der Apostel «das Gesetz des Geistes des Lebens in Christus
Jesus» nennt. «In ihm war Leben; und das Leben war das Licht
der Menschen.» Wie gelangen wir zur Erkenntnis, durch welches
Mittel werden wir in dieser Sache erleuchtet - ich meine den
Unterschied zwischen unsern Wegen, unsern Gedanken, unsern
Gefühlen und denen des Herrn? Wie bekommen wir Licht? Das Leben
ist das Licht. «Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis
wandeln, sondern wird das Licht des Lebens haben» (Joh. 8.12).
«Das Gesetz des Geistes des Lebens in Christus Jesus hat mich
frei gemacht vom Gesetz der Sünde und des Todes.» Das
Instrument des Geistes also, wenn ich es so bezeichnen darf, für
unsere Erziehung ist Leben in Christus. Das heißt,
wir erfahren den Sinn des Geistes in konkreten Dingen dadurch,
dass wir innerlich lebendig gemacht werden (quickening), indem
wir Leben wahrnehmen und empfinden, göttliches Leben, den Geist
des Lebens. Oder, umgekehrt, wenn wir dem Herrn gegenüber
lebendig sind, dann wissen wir durch eine Wahrnehmung des Todes
in der entsprechenden Richtung, dass der Geist damit nicht
übereinstimmt.
Das
ist etwas, was uns niemand mit Worten lehren kann, indem er uns
darin «Stunden gibt». Aber es ist etwas, das wir kennen
können. Ihr kennt es durch die Reaktion (im Innern), oft durch
eine heftige Reaktion. Ihr habt eine bestimmte Richtung
eingeschlagen, und ihr habt innerlich eine negative Reaktion. Ihr
ringt in einer bestimmten Richtung, um etwas zu realisieren, und
wenn ihr nur einen Augenblick innehalten und genau hinsehen
würdet, würdet ihr merken, dass ihr es selbst zustande bringen
wollt. Ihr wisst sehr wohl, dass diese Sache nicht spontan ist,
dass ihr die Spontaneität fehlt, die ein Kennzeichen des Herrn
ist. Ihr wisst, dass der Herr hier nicht durchkommt. Ihr wisst
sehr wohl, dass ihr nicht das Gefühl der Spontaneität und des
Friedens habt. Es muss erzwungen werden, ihr müsst treiben,
damit es geschieht. Ich glaube, jeder von euch der ein echtes
Kind Gottes ist, weiß, wovon ich spreche. Aber vergesst nicht -
das Instrument des Geistes in der Schule Christi, das uns
belehrt, ist Leben. Das Kennzeichen eines vom Geist regierten,
vom Geist gesalbten Mannes oder einer Frau ist dies, dass sie
sich im Leben bewegen, dass sie Leben mitteilen, dass alles, was
von ihnen kommt, Leben bedeutet, und sie wissen gerade durch
dieses Gesetz des Lebens, wo der Herr ist, worin der Herr ist,
wonach der Herr aus ist, was der Herr möchte. Das ist die Art,
wie sie es wissen. Keine Stimme wird gehört, sie sehen keine
objektive Vision, aber tief in ihrem Geist trifft das Leben
Entscheidungen, fällt der Geist des Lebens ein Urteil.
Wie nötig ist es doch
für uns, dass wir in Christus Jesus Gott gegenüber lebendig
sind. Wie notwendig ist es, dass wir ständig das Leben ergreifen
(laying hold on life). Sobald es Satan gelingt, seine Geister des
Todes über uns zu bringen und unsern Geist in Tod zu hüllen,
wird uns das Licht entzogen, und wir tappen im Dunkeln. Wir
wissen nicht mehr, wo wir sind, was wir tun sollen. Ständig
versucht er es, wir befinden uns in einer ständigen Schlacht um
das Leben. Alles im Blick auf die Verwirklichung des Vorsatzes
Gottes hängt an diesem «Leben». Dieses «Leben» ist
potentiell die Summe des ganzen göttlichen Vorsatzes. Genauso
wie im Samen das Leben ist, und zwar nicht nur das Leben des
Samens, sondern das Leben eines großen Baumes, und dieses Leben,
wenn es frei wird, zu einem großen Baume wird, so ist in dem
Leben, das uns bei unserer geistlichen Kindheit, bei unserer
Wiedergeburt, gegeben wird, die ganze Kraft des vollen,
endgültigen und abschließenden Gedankens Gottes enthalten. So
geht Satan darauf aus, nicht nur dieses Leben abzuschneiden,
sondern die volle Entfaltung des endgültigen Interesses und
Zieles Gottes zu verhindern (wenn er schon das Leben nicht mehr
rückgängig machen kann), das in diesem Leben liegt, diesem
ewigen Leben, das wir empfangen haben. Dem Geist geht es stets um
dieses Leben, und er möchte uns sagen: Bewahrt dieses Leben;
sorgt dafür, dass nichts mit diesem Leben kollidieren kann;
sorgt dafür, sooft etwas vorliegt, das den Geist bekümmert und
die Wirksamkeit dieses Lebens zum Stillstand bringt, dass ihr
stets zu dem kostbaren Blut Zuflucht nehmt, das als Zeuge gegen
diesen Tod auftritt - zu diesem kostbaren Blut Jesu, dem
unzerstörbaren Leben, dem Zeugen im Himmel für den Sieg über
Sünde und Tod, durch das ihr von der behindernden Hand Satans
befreit werden könnt. Das kostbare Blut ist die Grundlage, auf
der wir stehen müssen, wenn wir mit allem verfahren wollen, das
den Geist betrübt und die Wirkung des Lebens einschränkt, durch
welches wir auf diese lebendige Weise Christus in immer
größerer Fülle kennen lernen. Der Herr helfe uns.
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