Die Schule Christi
von
T. Austin-Sparks
Kapitel 5 - Das Licht des Lebens
Schriftlesung:
Hesekiel 43.2,4-5; 44.4; 47.1; Johannes 1.4; 8.12; 3.3; 9.5;
12.20-24; 12.46; 2. Korinther 4.4; Epheser 1.17-19.
Das Licht des Lebens!
Bevor wir diese Sache des Lichtes des Lebens einer näheren
Betrachtung unterziehen, lasst mich eine einfache, aber sehr
direkte Frage stellen. Können wir alle mit der Wahrheit des
Herzens sagen, dass es uns wirklich darum geht, in Gottes Vorsatz
zu sein? Zu wissen, was dieser Vorsatz ist, und darin erfunden zu
werden? Alles hängt davon ab, ob es uns darum geht oder nicht.
Es ist eine praktische Angelegenheit. Sie sollte uns sofort davon
befreien, dass wir bloß an der Wahrheit an sich und an
vermehrtem Wissen oder vermehrter Information über geistliche
Dinge interessiert sind. Wenn wir in diesem Augenblick in unser
Herz hineinschauen - und das wollen wir tun, jeder einzelne unter
uns -, können wir dann wirklich sagen, dass da ein echtes und
starkes Verlangen vorhanden ist, in diesem Vorsatz, dem großen,
ewigen Vorsatz Gottes zu sein? Sind wir bereit, uns dem Herrn in
Bezug auf diesen Vorsatz in einer äußersten Übergabe
hinzugeben, durch die wir nun ein Verständnis von ihm gewonnen
haben, dass er, was uns betrifft, vor nichts zurückschrecken
wird, um uns in seinen ewigen Vorsatz hineinzubringen, was immer
es auch kosten mag? Sind wir als das Volk des Herrn bereit,
innezuhalten und dieser Tatsache ins Auge zu blicken, und in eine
Linie mit Gottes Ziel zu gelangen? Ich weiß, dass einige von
euch bereits dort sind, und dass für euch diesbezüglich nicht
mehr viel Erfahrung nötig ist; aber es ist sehr wohl möglich,
dass es solche gibt, die die Dinge bisher als völlig
selbstverständlich genommen haben. Sie sind ja Christen, sie
sind Gläubige, sie gehören dem Herrn, sie sind gerettet, sie
setzen ihren Glauben in Christus, sie stehen schon so lange in
Verbindung mit christlichen Institutionen und Dingen, vielleicht
sogar von Kind auf. Diese sind es, an die ich von allem Anfang an
meinen Appell richten möchte. Hier im Worte Gottes kommt dieser
Satz wiederholt vor: «... gemäß seinem ewigen Vorsatz, den
er sich vorgesetzt hat in Christus vor Grundlegung der Welt.»
Ist es diese Sache, die an unserem (geistlichen) Horizont
zuvorderst steht, oder ist es etwas Entfernteres, Undeutlicheres,
im Hintergrund? Ich betone dies deshalb, weil wir etwas haben
müssen, an dem wir arbeiten können. Gott muss etwas haben, an
dem er arbeiten kann, und wenn dies unsere Position ist (das
heißt wenn wir uns in Gottes Vorsatz befinden), dann können wir
vorwärts schreiten, und die Folge wird eine Offenbarung
hinsichtlich dieses Vorsatzes und seines Weges sein. Aber solange
wir nicht eine wirklich positive Stellung und Haltung dazu
gewonnen haben, werden wir eine Menge Dinge sagen hören, und es
wird bei diesen Dingen bleiben, und sie werden für uns mehr oder
weniger wichtig sein (je nachdem, wie wir sie einschätzen,).
Der
Vorsatz Gottes
Nun - angenommen, es
gehe uns wirklich, wenigstens bis zu einem gewissen Grade, um
Gottes Vorsatz, was rechtfertigt, dass wir nun weitergehen -
fragen wir: Was ist der Vorsatz Gottes? Was ist Gottes Ziel? Ich
glaube, man kann es auf eine Art unter verschiedenen andern
sagen. Wir können sagen, Gottes Vorsatz sei dies, dass eine Zeit
kommen soll, da er sein Gefäß hat, in welchem und durch welches
seine Herrlichkeit in dieses Universum hervor scheinen wird. Dies
wird durch das Neue Jerusalem angedeutet, das aus dem Himmel, von
Gott, hernieder kam, das die Herrlichkeit Gottes hatte und dessen
Licht einem äußerst kostbaren Edelstein glich, einem
Jaspisstein, klar wie Kristall. Und sie hat die
Herrlichkeit Gottes! Das ist das Ziel, das Gott im Blick
auf sein Volk im Auge hat. Es soll in einem geistlichen Sinne
für sein Universum von geistlichen Intelligenzen das sein, was
die Sonne für dieses Universum ist; die Nationen sollen in
seinem (gemeint ist das Volk Gottes) Lichte wandeln. Keine Sonne,
kein Mond wird mehr nötig sein, denn dort gibt es keine Nacht
mehr. Und das heißt nichts anderes, als dass Gott ein Volk haben
möchte, das voller Licht ist, voller Licht der Erkenntnis der
Herrlichkeit Gottes. Das ist das Ziel, und Gott fängt an, sich
auf dieses Ziel hin zu bewegen, sobald eines seiner Kinder von
oben her geboren worden ist; denn schon diese Geburt, diese neue
Geburt von oben, ist ein Zurückdrängen der Finsternis und ein
Hervorbrechen des Lichtes.
Auf dem ganzen Weg in
der Schule Christi ist der Heilige Geist mit dieser einen Sache
beschäftigt, uns mehr und mehr in das Licht der Erkenntnis der
Herrlichkeit Gottes im Angesicht Jesu Christi zu führen, damit
in unserem Falle wahr wird, dass der Pfad des Gerechten wie
ein strahlendes Licht ist, das heller und heller leuchtet bis zum
vollen Tag (Sprüche 4.18). Viele Leute haben gemeint - und
indem sie dies meinten, wurden sie auch enttäuscht -, dies
bedeute, dass es leichter und leichter, heller und heller werde,
dass es fröhlicher werde, je mehr wir voranschreiten. Aber so
geht es nicht. Ich kann nicht sehen, dass es in den Umständen
und äußeren Bedingungen der Gläubigen so ist oder je so war,
weder irgendwo noch zu irgend einer Zeit. Der Weg wird für sie
äußerlich nicht heller und heller. Oder ist irgend ein
Gläubiger hier, der behaupten will, es sei so? Aber wenn wir uns
wirklich unter der Regierung des Geistes voranbewegen, können
wir mit der stärksten Überzeugung sagen, dass das Licht auf
eine innere Weise zunimmt. Der Weg wird zusehends heller und
heller; wir erkennen und erkennen und erkennen. Das ist Gottes
Vorsatz; der Zeitpunkt wird kommen, wo überhaupt keine
Finsternis mehr vorhanden sein wird, kein Schatten, kein Nebel;
alles wird Licht, vollkommenes Licht sein: Wir werden nicht mehr
wie durch einen Spiegel undeutlich sehen, sondern von Angesicht
zu Angesicht, wir werden erkennen, wie wir erkannt worden sind.
Das ist in gewisser Hinsicht Gottes Vorsatz. Interessiert euch
das? Geht es euch darum?
Ihr Lieben, das ganze
hat einen kritischen Ausgangspunkt, es hat seinen Anfang, es
handelt sich um einen Prozess im geistlichen Leben mit einem
herrlichen Höhepunkt bei der Entrückung. Worum es mir im
Augenblick besonders geht, ist der Prozess. Wir werden auch von
jenem kritischen Punkt am Anfang sprechen müssen, aber im
Augenblick geht es mir eigentlich um den Prozess.
Wir lesen bei
Hesekiel, wie die Herrlichkeit des Herrn über das Haus kommt und
es erfüllt, und wir haben in den vorausgehenden Betrachtungen
gesehen, dass der Herr Jesus dieses Haus ist. Er ist das große
Bethel Gottes, von dem die Engel Gottes aufsteigen und auf das
sie hernieder steigen, in dem Gott gefunden wird, in dem Gott
redet (der Sprachort), in dem die göttliche Autorität, das
endgültige Wort, da ist. Er ist das Haus, und die Herrlichkeit
des Herrn ist in ihm; das Licht Gottes ist in ihm.
Der
Ort der Shekinah-Herrlichkeit
Wenn wir auf jenes
Offenbarungszelt oder auf jenen Tempel von einst zurückblicken,
wo die Shekinah-Herrlichkeit (Shekinah bedeutet etwa
«Einwohnung» oder «Gegenwart» Gottes) gefunden wurde, stellen
wir fest, dass dieses Licht, diese Herrlichkeit, welche Himmel
und Erde wie eine Leiter miteinander verband, ihren Ausdruck im
Allerheiligsten fand. Ihr wisst, dass das Allerheiligste überall
mit Vorhängen abgetrennt war, wodurch jedes Restchen
natürlichen Lichtes ausgeschlossen wurde, so dass der Ort,
hätte man ihn abgesehen von der Shekinah betreten, schwarze
Finsternis gewesen wäre, ohne jedes Licht; wäre man aber
eingetreten, während die Herrlichkeit darauf ruhte, so wäre
alles Licht gewesen, voll göttlichen Lichts, himmlisches Licht,
das Licht Gottes. Und dieses Allerheiligste stellt das innere
Leben des Herrn Jesus dar, seinen Geist, in dem Gott sich
befindet, das Licht vom Himmel, das Licht von dem, was Gott in
ihm ist. Er ist das Allerheiligste, sein Geist ist das
Allerheiligste in dem Heiligen Haus Gottes, und dort in jenem
Allerheiligsten war das Licht der Herrlichkeit (Gottes); es war
der Ort, von dem Gott gesagt hatte, er werde dort mit seinem Volk
durch dessen Stellvertreter zusammenkommen. Über der
Deckplatte, zwischen den zwei Cherubim, werde ich mit dir reden
(2. Mose 25.22). Der Ort der Gemeinschaft (communion) - «Ich
werde mit dir Gemeinschaft haben.« Was für ein liebliches Wort
- «Gemeinschaft haben. Darin liegt so gar nichts Hartes, nichts
Schreckliches, nichts Furchterregendes. «Ich werde mit dir
Gemeinschaft haben.» Das ist ein gegenseitiges Sich-Mitteilen.
Schon das Wort selbst liegt allem fern, was nur einseitig ist.
Nein, es ist gegenseitig. Es ist der Ort, wo Gott spricht; in der
«Gemeinschaft» (communion) spricht Gott, macht er sich selbst
bekannt. Es ist der Ort des Sprechens, der Sprachort. So wird er
genannt; und das ist der Sühnedeckel, der «Gnadenthron», und
das alles ist der Herr Jesus selbst. Er wurde, so wird uns
gesagt, von Gott zu einem «Gnadenthron» gemacht (Römer 3.25),
und in ihm hat Gott Gemeinschaft mit seinem Volk. In ihm redet
Gott zu und mit seinem Volk.
Wir müssen jedoch die
Wort «in ihm» unterstreichen, denn es gibt keine Gemeinschaft
mit Gott und keine Gemeinschaft Gottes, kein hörbares Sprechen
(Gottes), keine Begegnung (mit Gott) außerhalb von Christus.
Für den natürlichen Menschen wäre das ein Ort des Todes und
der Vernichtung: Daher die schrecklichen Warnungen, die erlassen
wurden, sollte jemand den Ort ohne die richtige Ausrüstung
betreten, jene symbolische Ausrüstung, die davon sprach, dass
der natürliche Mensch vollständig beiseite gesetzt worden war
und ein anderer, himmlischer Mensch ihn ersetzte in der Gestalt
himmlischer Kleider, der Kleider der Gerechtigkeit. Nur so durfte
jemand das Heiligste betreten; andernfalls galt: «auf dass er
nicht sterbe.»
Wenn ihr wissen
möchtet, wie das praktisch auszusehen hat, dann kommt mit mir
ins Neue Testament hinüber und nehmt euch einmal die Geschichte
von der Reise Sauls von Tarsus nach Damaskus vor. Er sagt:
«Gegen Mittag, o König, sah ich unterwegs ein Licht vom Himmel,
von größerer Helligkeit als die Sonne, und ich hörte eine
Stimme, die zu mir sprach: Saul, Saul, warum verfolgst du mich?
Und als wir alle zu Boden gefallen waren...» Dann werdet ihr
euch erinnern, wie sie ihn aufrichteten und in die Stadt
führten, weil er nicht mehr sehen konnte. Durch die
Barmherzigkeit war er nur für drei Tage und drei Nächte blind.
Gott beauftragte Ananias, hinzugehen und den blinden Mann zu
besuchen, und zu ihm zu sagen: Jesus, der dir unterwegs
erschienen ist, hat mich zu dir gesandt, damit du wieder sehend
werden sollst. Sonst wäre Saul von Tarsus bis ans Ende
seines Lebens ein blinder Mann geblieben. Das ist die Wirkung auf
einen natürlichen Menschen, der der Herrlichkeit Gottes im
Angesicht Jesu Christi begegnet. Es bedeutet Vernichtung. In der
Gegenwart dieses Lichtes hat der natürliche Mensch keinen Platz.
Es bedeutete für ihn den Tod. In Johannes 8 jedoch haben wir die
Worte: «Das Licht des Lebens» im Gegensatz zur Finsternis des
Todes. Nun, in Christus wird der natürliche Mensch als
vollständig beseitigt betrachtet. Es gibt für ihn dort (in
Christus) keinen Platz.
Keinen
Platz für den natürlichen Menschen
Das heißt, dass der
natürliche Mensch nicht in dieses Licht treten (und am Leben
bleiben) kann, auch kann er nicht in Gottes großen Vorsatz
hineinkommen und sich in diesem Hause voll der Herrlichkeit
Gottes befinden, in diesem Gefäß, durch das er diese
Herrlichkeit seinem Universum manifestieren wird. Der natürliche
Mensch kann hier nicht hineingelangen; und wenn wir vom
natürlichen Menschen sprechen, dann meinen wir nicht bloß den
unerretteten Menschen, das heißt den Menschen, der nie zum Herrn
Jesus gekommen ist. Nein, wir sprechen von dem Menschen, den Gott
als völlig beiseite gesetzt betrachtet.
Nun, der Apostel
Paulus musste diesbezüglich mit den Gläubigen in Korinth
sprechen, mit bekehrten Leuten, geretteten Leuten, mit Leuten
also, die eine gewisse Kenntnis von Christus hatten, die aber in
die Weisheit und Kraft dieser Welt verliebt waren, und in die
Stärke, die daraus hervorgeht, und deren Disposition und Neigung
es war, die göttlichen Dinge mittels natürlicher Weisheit,
natürlichem Verständnis, der Philosophie und Weisheit dieser
Welt zu begreifen, zu analysieren, zu überprüfen und in sie
hinunterzutauchen. So brachten sie den natürlichen Menschen mit
den göttlichen Dingen in Verbindung, und so schrieb ihnen der
Apostel, und mit ihren eigenen Worten sagte er: «Nun, der Mensch
der Seele» (nicht der unwiederge-borene Mensch, nicht der
Mensch, der nie eine Unterhandlung mit dem Herrn Jesus auf der
Grundlage seines sühnenden Werkes zur Errettung gehabt hat),
«der Mensch der Seele nimmt die Dinge des Geistes Gottes nicht
an, auch kann er sie gar nicht kennen» (l. Kor. 2.14). Der
Mensch der Psyche, das ist der natürliche Mensch. Die jüngste
unter den Wissenschaften ist die Psychologie, die Wissenschaft
von der Seele; und was ist Psychologie? Sie beschäftigt sich mit
dem Sinn (mind) des Menschen, sie ist die Wissenschaft des
menschlichen Verstandes -, und hier haben wir nun das Wort; ich
will es umschreiben, denn es ist genau das, was es bedeutet: Die
Wissenschaft des Verstandes kann die Dinge des Geistes Gottes nie
empfangen, sie kann gar nichts davon wissen. Dieser Mensch ist
sehr klug, sehr intellektuell, sehr hoch gebildet, seine
natürlichen Sinne befinden sich in einem hohen
Entwicklungszustand und sind äußerst scharf; und doch steht
dieser Mensch draußen, wenn es darum geht, die Dinge Gottes zu
kennen; er kann es nicht, er ist draußen. Für den ersten
Schimmer der Erkenntnis Gottes muss ein Wunder geschehen,
durch welches blinde Augen, die noch nie gesehen haben, geöffnet
werden, und durch die das Licht wie durch einen Offenbarungsblitz
hereinfällt, so dass es heißen kann: «Glückselig bist du...
denn Fleisch und Blut haben dir das nicht geoffenbart, sondern
mein Vater, der in den Himmeln ist.»
Dadurch ist eine
gewaltige Tatsache festgestellt. Jedes bisschen echten Lichtes,
das in Richtung jener höchsten Ausstrahlung, der Offenbarung der
Herrlichkeit Gottes in uns und durch uns scheint, jedes bisschen
davon ist in Christus Jesus und kann in ihm nur auf der Grundlage
erlangt werden, dass unser natürlicher Mensch vollständig
hinaus getan worden ist, beiseite gesetzt, und ein neuer Mensch
entstanden ist mit einem neuen Satz geistlicher Fähigkeiten: So
dass selbst einem Nikodemus, dem besten Produkt der religiösen
Schule seiner Tage und seiner Welt, gesagt wurde: Wenn ein
Mensch nicht von neuem (von oben her) geboren wird, so kann er...
nicht sehen. Er kann einfach nicht sehen. Nun, das alles
läuft darauf hinaus, dass, wenn wir auch nur die ersten
Buchstaben des göttlichen Alphabets kennen lernen wollen, wir in
Christus sein müssen, und jedes bisschen, das danach folgt, ist
eine Sache dessen, dass wir Christus lernen und wissen, was es
bedeutet, in Christus zu sein.
Wie
wir das Licht des Lebens erlangen
a)
Die Krisis
Das führt uns zu
folgender Frage. Welches ist der Weg in Christus hinein, oder wie
erlangen wir das Licht des Lebens? Nun, die Antwort lautet, kurz
gesagt, natürlich so, dass, um das Licht zu haben, wir das Leben
haben müssen. Dieses Licht ist das Licht des Lebens. Es ist das
Produkt des Lebens. Alles göttliche Licht, alles wahre Licht von
Gott ist lebendiges Licht. Es ist also nie ein theoretisches,
bloß lehrmäßiges Licht, es ist stets lebendiges Licht. Und wie
nun erlangen wir dieses Licht des Lebens?
Nun, diese beiden
Dinge (Licht und Leben) werden im Johannesevangelium sehr
deutlich hervorgehoben, nämlich: Christus in uns, und wir in
Christus. Der Herr hat uns eine wunderbare Illustration von dem
gegeben, was es bedeutet; wir haben sie in Kapitel 12 gelesen.
Was bedeutet es, in Christus zu sein? Was bedeutet es, Christus
in uns zu haben? Was bedeutet es, im Leben und im Licht zu sein?
Und was bedeutet es, das Leben und das Licht in uns zu haben?
Nun, hier ist es. Es ist Leben in jedem Weizenkorn, aber es
ist bloß ein einziges Korn. Ich möchte, dass dieses einzige
Weizenkorn zu einer Heerschar von Körnern wird, genug Körner,
um die ganze Erde zu bedecken. Wie soll ich das tun? Nun,
der Herr sagt: Pflanze es in den Boden; lass es in den
Boden fallen und sterben; lass es in die dunkle Erde fallen, lass
die Erde es bedecken. Was geschieht dann? Es beginnt sich
sofort aufzulösen, auseinander zu fallen, sich preiszugeben, was
seine Individualität, sein persönliches Einzelleben betrifft.
Also gleich fängt ein Trieb an, die Erde zu durchstoßen, und
schon schießt ein Halm auf, schließlich entsteht eine Ähre
voller Körner von Weizen; und wenn ich das Leben wirklich sehen
und in jene Weizenkörner hineinblicken könnte, könnte ich
wahrnehmen, dass das Leben, das in dem einzigen Korn war, nun in
jedem einzelnen von ihnen ist. Dann säe ich diese Ähre, sagen
wir, ich säe hundert Körner, und ich erhalte tausend oder sogar
zehntausend neue. Diese säe ich wiederum, und sie vermehren sich
hundert- und tausendfach, bis die ganze Erde voll ist. Und wenn
ich mit einem Vergrößerungsglas in jedes einzelne dieser
Millionen und Abermillionen von Körnern blicken könnte und das
Leben für das Auge wahrnehmbar wäre, könnte ich feststellen,
dass dasselbe ursprüngliche Leben (das heißt dasselbe Leben,
das ursprünglich in dem einen Weizenkorn war) das Leben jedes
einzelnen von ihnen ist. Das ist die Antwort.
Wie gelangt dieses
Leben in uns hinein, dieses Licht des Lebens? Der Herr Jesus
sagt, ein Tod müsse stattfinden, ein Tod im Blick auf das, was
wir in uns selbst sind, ein Tod hinsichtlich unseres eigenen
Lebens, ein Tod im Hinblick auf ein Leben losgelöst von ihm. Wir
müssen mit ihm in den Tod hinuntersteigen, und dort findet,
unter dem Akt des Geistes Gottes, im Verein (in union) mit dem
begrabenen Christus, eine Übertragung (transmission) seines
Lebens in uns hinein statt, und er, der nicht mehr als bloß ein
einziges Weizenkorn hervorkommt, ersteht vielfältig in jedem von
uns. Es ist das Wunder, das jedes Jahr im natürlichen Bereich
vor sich geht, und genau durch dasselbe Prinzip gelangt der Herr
in uns hinein. Ihr seht vielleicht, wie notwendig es ist, dass
wir aufhören, ein Leben losgelöst vom Herrn zu haben; wie
notwendig auch, dass wir ein solches Leben absolut fahren lassen.
Das ist die Krisis des Anfangs, und es ist eine echte Krisis.
Früher oder später muss es zu dieser Krisis kommen.
Einige von euch werden nun vielleicht
sagen: Ich habe keine solche Krisis erlebt. Ein Christ zu werden
war für mich etwas sehr Einfaches. Ich wurde ganz einfach als
Kind belehrt, oder irgendwann habe ich auf irgend eine Weise
meinen Glauben an den Herrn Jesus zum Ausdruck gebracht, und von
jenem Augenblick an gehörte ich dem Herrn an; ich bin ein
Christ. Ist euer Weg denn auch ein strahlendes Licht, das heller
und heller leuchtet bis zum vollen Tag? Bewegt ihr euch vorwärts
in einer wachsenden Fülle der Offenbarung des Herrn Jesus? Ist
dies der Fall? Habt ihr einen offenen Himmel? Offenbart sich Gott
in Christus euch in immer größerer Herrlichkeit und Fülle?
Wirklich? Ich will nicht sagen, ihr gehörtet nicht zum Herrn
Jesus, aber ich möchte euch mit Bestimmtheit sagen, die
unveränderliche Basis für einen offenen Himmel sei ein Grab und
eine Krisis, durch welche euer Eigenleben sein Ende findet. Es
ist die Krisis einer echten, erfahrungsmäßigen Identifikation
mit Christus in seinem Tod, und zwar nicht in Bezug auf eure
Sünden, sondern auf euch selbst. Euer offener Himmel hängt
davon ab. Es ist eine Krisis. Wahrscheinlich betrifft dies nicht
nur zwei oder drei hier heute Abend. Die Wahrheit ist: Sie waren
Kinder Gottes; sie kannten Christus, sie waren gerettet, sie
hatten diesbezüglich keinen Zweifel. Aber dann kam die Zeit, da
der Herr, das Licht des Lebens, ihnen zeigte, dass er nicht nur
starb, um ihre Sünden in seinem Leibe an das Holz zu tragen,
sondern dass er sie selbst in der Totalität ihres natürlichen
Lebens darstellte, um dieses zu beseitigen. Es war der Mensch,
und nicht nur dessen Sünden, was ans Kreuz ging. Dieser Mensch
seid ihr, dieser Mensch bin ich, und viele haben, nachdem sie
jahrelang Christen gewesen waren, als Männer, als Frauen, als
Teil des menschlichen Geschlechts jene gewaltige Krisis der
Identifikation mit Christus erreicht; nicht nur als Sünder,
sondern als Bestandteil des menschlichen Geschlechts; als
natürliche Menschen, nicht als Nicht-Wiedergeborene, sondern als
natürliche Menschen, mit allem, was wir in unserem natürlichen
Leben sind. Viele sind zu dieser Krisis gelangt, und von diesem
Zeitpunkt an war alles auf einer viel breiteren Ebene als je
zuvor in ihrem Christenleben. Da war plötzlich ein offener
Himmel, da war eine erweiterte Sicht, das Licht des Lebens auf
eine viel größere weise.
Wie
kommt sie zustande? Einfach so, und diese Krisis ist eine Krisis
für uns alle. Solltet ihr keine solche Krisis erlebt haben, dann
bittet den Herrn darum. Und merkt euch: Wenn ihr euch aufmacht,
eine solche Transaktion mit dem Herrn einzugehen, dann bittet ihr
um etwas Bestimmtes, ihr bittet um Schwierigkeiten; denn, wie ich
vorhin schon sagte, der natürliche Mensch stirbt nur mit Mühe;
er klammert sich verzweifelt (ans Leben), er lässt sich höchst
ungern beiseite setzen. Betrachtet jenes Weizenkorn. Nachdem es
in den Boden gefallen ist, seht einmal, was mit ihm geschieht.
Glaubt ihr, das sei etwas Angenehmes? Was geschieht? Es verliert
seine Identität. Ihr könnt es nicht erkennen. Nehmt es hervor
und werft einen Blick darauf. Ist das (was ihr nun in der Hand
habt) noch jenes liebliche kleine Weizenkorn, das ihr in den
Boden gelegt habt? Was für ein hässliches Ding ist es geworden!
Es hat seine Identität völlig verloren, es hat seinen inneren
Zusammenhang eingebüsst; es fällt völlig auseinander. Wie
hässlich! Ja, genau das tut der Tod. Dieser Tod Christi bricht,
indem er in uns hineingewirkt wird, unser natürliches Leben auf.
Er zerstreut es, er zerstückelt es, er nimmt ihm alle Schönheit
weg. Wir fangen an zu entdecken, dass letztlich nichts in uns ist
als lauter Verdorbenheit. Das ist die Wahrheit. Indem wir
auseinander fallen, verlieren wir all die Schönheit, die wir vom
natürlichen Standpunkt aus hatten, so wie die Menschen sie
gesehen haben. Es ist nichts Angenehmes, in die Erde zu fallen
und zu sterben. Denn dann geschieht genau das.
«Wenn es aber
erstirbt...» «Wenn wir mit Christus gestorben sind, so glauben
wir, dass wir auch mit ihm leben werden» (Römer 6.8). Wir
werden sein Leben teilen, ein anderes Leben annehmen, und dann
erhalten wir eine neue Gestalt, ein neues Leben; es ist nicht
mehr das unsrige, es ist sein Leben. Es handelt sich um eine
Krisis. Ich dringe in euch, dass ihr euch in dieser Beziehung
wirklich vom Herrn behandeln lasst. Und wenn ihr das tut, dann
erwartet, was ich euch gesagt habe: erwartet, dass ihr in Stücke
zerfallt; erwartet, dass die Schönheit, von der ihr glaubtet,
sie sei vorhanden, völlig zerstört wird; erwartet, dass ihr
entdecken werdet, dass ihr weit verdorbener seid, als ihr es euch
je gedacht hattet; erwartet, dass der Herr euch an einen Ort
bringt, wo ihr schreit: «Weh mir, ich vergehe!» Dann aber wird
der Segen, der dann kommt, genau dieser sein - o Herr, das beste,
was mir geschehen kann, ist, dass ich sterbe! Und der Herr wird
antworten: Das ist genau das, worauf ich hingearbeitet habe, denn
ich kann diese Verdorbenheit nicht verherrlichen. «Dieses
Verderbliche muss Unverderblichkeit anziehen» (l. Kor. 15.53),
und diese Unverderblichkeit ist der Keim jenes göttlichen Lebens
in dem Samenkorn, das sein eigenes Leben dahingibt, das ihm von
Ihm übertragen worden ist. Gott wird nicht diese unsere
Menschheit verherrlichen. Er wird uns dem herrlichen Leib Christi
gleichmachen. Aber das ist schon viel zu tief und viel zu weit
voraus. Worum es uns jetzt geht, ist dies, dass diese Krisis
stattfinden muss, wenn wir Gottes Herrlichkeit, Gottes Ziel,
erreichen wollen.
b)
Der Prozess
Dann (nach der Krisis)
muss ein Prozess folgen. Der Herr Jesus sagte: Will jemand
mir nachfolgen, so verleugne er sich selbst und nehme sein Kreuz
täglich auf sich und folge mir. Und als er dies sagte,
hatte er im Prinzip nicht unrecht. Es stimmt zwar: Das Kreuz ist
etwas, das wir ein für allemal aufnehmen und in das wir ein für
allemal eintreten; das ist die Krisis, in der wir sagen: Herr,
ich akzeptiere ein für allemal, was das Kreuz bedeutet! Aber
nach der Krisis, nach dieser all-einschließlichen Krisis, werden
wir feststellen, dass wir uns Tag für Tag am Kreuz festhalten
müssen, und dass sich dieses Kreuz Tag für Tag auswikt in all
jenen Trübsalen und Leiden, die der Herr im Leben seines Volkes
zulässt. Vielleicht hat er euch in seiner Souveränität in eine
schwierige Situation versetzt; in einen schwierigen Haushalt, in
ein schwieriges Geschäft, in eine schwierige physische
Situation, oder in eine schwierige Situation in Bezug auf irgend
einen Verwandten. Ihr Lieben, das ist die praktische Auswirkung
des Kreuzes in eurer Erfahrung, um Raum zu schaffen, damit der
Herr Jesus einen größeren Platz einnehmen kann. Es macht Platz
für seine Geduld, für das Ausharren Christi, für die Liebe
Christi. Es macht einen Weg frei für ihn; in einer solchen Lage
solltet ihr nicht jeden Morgen auf eure Knie gehen und sagen:
Herr, bringe mich aus dieser Familie, aus diesem Geschäft, aus
dieser besonderen Schwierigkeit heraus! Vielmehr solltet ihr
sagen: Herr, wenn dies für mich heute ein Ausdruck des Kreuzes
ist, dann nehme ich es heute auf mich. Wenn ihr der Situation so
gegenübertretet, werdet ihr feststellen, dass Kraft, dass Sieg
vorhanden ist, dass der Herr mit euch zusammenwirkt, dass Frucht
entsteht, statt Unfruchtbarkeit. In diesem Sinne hatte der Herr
im Prinzip recht, als er das Kreuz zu einer täglichen Erfahrung
erklärte. «Wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und mir
nachfolgt, der kann nicht mein Jünger sein», der ist keiner von
denen, die von mir belehrt wurden, der ist keiner, der mich
gelernt hat. So ist dies, dass wir jene besondere Schwierigkeit,
was immer es sein mag, Tag für Tag auf uns nehmen; es ist gerade
der Weg, auf dem ich Christus kennen lerne, und es ist ein
Prozess des Lichtes, des Lichtes des Lebens; ich fange an zu
erkennen, ich fange an zu sehen, ich gelange zur Fülle. Wir
werden unabhängig vom Kreuz niemals sehen und erkennen. Das
Kreuz muss den Boden von unserem natürlichen Leben reinigen. Der
Herr weiß zu gut, was wir tun würden, wenn er das Kreuz
tagtäglich von uns nehmen würde. Ich frage mich, was wir wohl
tun würden.
Es ist nicht bloß
eine spätere Redeweise im Neuen Testament, wenn von unserem
täglichen Kreuz gesprochen wird, davon, dass wir unser Kreuz
täglich auf uns nehmen sollen. Das Prinzip besteht wohl eher
darin, dass es das Kreuz ist, das ihm gegeben wurde, das täglich
auch das meinige wird. Das mag zutreffen, aber so wirkt es sich
aus. Würde der Herr das, was für uns Tag für Tag zu einem
Ausdruck des Kreuzes wird, von unseren Schultern nehmen, wäre
dies keineswegs gut für uns. Sofort würde der Weg frei, dass
sich das alte natürliche Leben wieder erheben könnte. Ihr
könnt das beobachten, wenn Leute in ihrer Trübsal ein wenig
Erleichterung erhalten. Wie fangen sie sofort wieder an, ihr
Gewicht geltend zu machen! Schon gehen sie wieder auf Stelzen,
schon schauen sie wieder auf euch herab: Ihr seid im Fehler, sie
haben recht. Stolz, Selbstzufriedenheit tauchen wieder auf.
Stimmt das? Nun denn, wie war das bei Paulus? Ich blicke zu
Paulus als zu einem geistlichen Riesen empor. Wir sind in
geistlicher Hinsicht armselige Puppen neben diesem Mann, und
doch, ihr Lieben, obwohl Paulus ein geistlicher Riese war,
bekannte er demütig, der Herr habe ihm einen Sendboten Satans
geschickt, um ihn zu schlagen, einen Pfahl in seinem Fleisch,
damit er sich nicht über die Massen erhebe. Jawohl, geistliche
Riesen können sich überheben, wenn der Herr nicht dafür sorgt
und Vorkehrungen trifft; damit der Weg für jene große
Offenbarung offen und klar blieb, und damit sie wachsen und
wachsen konnte, sprach der Herr: Paulus, ich muss dich unten
halten, in sehr engen Grenzen; dies ist der einzige Weg. Sobald
du wieder hochkommst, Paulus, schränkst du das Licht wieder ein,
und die Offenbarung geht verloren.
Also, hier haben wir
das Prinzip. Das Licht des Lebens. Es ist sein Leben; und deshalb
sagt der Apostel wiederum: «Allezeit das Sterben Jesu an unserem
Leibe herumtragend, auf dass auch das Leben Jesu in unserem Leibe
offenbar werde» (2. Kor. 4.10).
Sein Leben ist das,
was wir nötig haben, und mit seinem Leben kommt auch das Licht.
Es ist Licht durch Leben. Es gibt kein anderes echtes,
göttliches Licht, nur dasjenige, das aus seinem Leben in uns
hervorgeht, und es ist sein Tod, der in uns hineingewirkt wird,
der den Weg für sein Leben freimacht.
Ich muss hier
schließen. Betrachtet nochmals Gottes Ziel: Licht, Herrlichkeit,
die eintretende Fülle. All das ist in Christus vorhanden. Das
Maß des Lichtes, das Maß der Herrlichkeit wird dem Maß von
Christus entsprechen, und das Maß von Christus hängt
vollständig davon ab, welchen Raum der Herr für sich selbst in
uns finden kann. Damit Platz für ihn entsteht, müssen wir an
einen Ort gelangen, wo unser Eigenleben aufs äußerste beseitigt
worden ist. Das aber dauert unser ganzes Leben lang. Aber, Gott
sei gelobt, es gibt einen glorreichen Höhepunkt, wenn er kommen
wird, um in seinen Heiligen verherrlicht und in seinen Gläubigen
bewundert zu werden. Bewundert! Die Herrlichkeit Gottes
besitzend! Oh, möchte doch etwas von dem Licht jener
Herrlichkeit jetzt auf unsere Herzen fallen, damit wir auf dem
Wege ermutigt und getröstet werden, damit unsere Herzen
gestärkt werden, um in der Erkenntnis seines Sohnes
voranzuschreiten, um Seines Namens willen.
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