DIE SCHULE CHRISTI
Kapitel 1 Das Fundament
geistlicher Erziehung Schriftlesung:
Ez. 40.2-4; 43.10-11; Mt. 3.17; 11.25-30; Joh. 1.51; Lk. 9.23;
Eph. 4.20-21. Die grundlegende
Stelle aus all denen, die wir gelesen haben, ist Mt.11.29:
«Nehmt auf euch mein Joch und lernt von Mir». Lernet von mir!
Der Apostel Paulus zeigt uns in etwas abgewandelter Form, was der
Herr Jesus meinte: «Ihr habt Christus nicht so gelernt.» (Eph.
4.20). Das ausgelassene
kleine Wort »von» macht den ganzen Unterschied deutlich und
gibt gleichzeitig den vollen Sinn. Während der Herr Jesus als
Mensch hier lebte, konnte er es nur in eine objektive Form
kleiden, denn die Zeit der subjektiven Verwirklichung war noch
nicht gekommen; so musste er also sagen: «Lernet von mir.» Als
die subjektive Zeit gekommen war, führte der Heilige Geist den
Apostel dazu, das «von» auszulassen und zu sagen: «Christus
lernen» (anstatt: «von Christus lernen»). Ich bin sicher,
dass viele von euch sofort merken werden, dass dies der
eigentliche kranke Punkt in vielem ist, was ein «populäres
Christentum» heutzutage vorstellt - eine Art objektiver
Imitation Jesu, die nirgendwo hinführt, statt eines subjektiven
«Lernens Jesu selbst», das uns zur Fülle führt. Wir werden uns
also für eine Weile mit der «Schule Christi» beschäftigen, in
die er die Zwölf nahm, welche er aussuchte, «damit sie stets
bei ihm sein sollten und er sie aussenden könnte» (Markus
3.14). Zuallererst wurden sie Jünger genannt, was ganz einfach
heisst, dass sie «in Zucht» (under discipline - englisches
Wortspiel: disciple = Jünger; discipline = Erziehung, Zucht)
genommen wurden. Bevor wir je Apostel sein können (d.h.
Gesandte), müssen wir «in Zucht» genommen, d.h. erzogen
werden, müssen wir Jünger werden, solche, die belehrt werden,
und dies auf eine inwendige Weise. In diese Schule wird jeder,
der von oben her geboren worden ist, geführt, und es ist sehr
wichtig, dass wir ihre Natur erkennen, was das ist, das zu lernen
wir uns anschicken, und die Prinzipien unserer geistlichen
Erziehung. Das erste, was
der Heilige Geist, der grosser Lehrer und Ausleger, für uns tut,
wenn wir in diese Schule eintreten und wir wirklich unter Seine
Hand gebracht wurden, ist dies, dass er uns in umfassender Weise
zeigt, was wir zu lernen haben; er präsentiert uns das grosse
Ziel unserer Erziehung. Da lesen wir solche Passagen wie jene in
Hesekiel, von dem ich glaube, dass er in bezug auf diese
Angelegenheit von grosser Bedeutung ist. In einer Zeit, da der
wahre Ausdruck der Gedanken Gottes inmitten seines Volkes
verloren gegangen war und sich Gottes Volk nicht in unmittelbarer
Berührung mit Gottes Gedanken befand, weit weg in jenem fremden
Land (Babylon), legte der Geist Gottes seine Hand auf den
Propheten und nahm ihn im Geist «in Gesichten Gottes» zurück
nach Jerusalem, versetzte ihn auf einen hohen Berg und gab ihm
die Darstellung eines neuen Tempels, aus dem hervor ein Strom von
Wasser des Lebens bis an die Enden der Erde fliessen würde.
Daraufhin durchging er das ganze Bild bis ins kleinste Detail und
wies den Propheten später an, das (geschaute) Haus dem Hause
Israel mitzuteilen, mit der Absicht, eine Wiederherstellung des
geistlichen Lebens in Übereinstimmung mit dieser umfassenden und
detaillierten Offenbarung des Gedankens Gottes herbeizuführen,
damit sie vorerst alle beschämt werden sollten. Es kann sein,
dass dieser Tempel Hesekiels einmal buchstäblich auf dieser Erde
errichtet wird. Wir wollen nicht darüber streiten, aber eines
ist über jeden Zweifel erhaben: Alles, was Hesekiel gesehen hat,
hat sein geistliches Gegenstück und seine geistliche Erfüllung
in der Gemeinde, die sein Leib ist; geistlich gesehen ist das
alles in Christus vorhanden. Und um sich einen vollen Ausdruck
seines Gedankens zu sichern, besteht Gottes Methode bei seinem
Volk darin, zuallererst das vollkommene Ziel vorzustellen. Und
dies tat er auch, als er am Jordan die Himmel zerriss und sagte:
Dies ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen
habe. Dort stellte er dar und bezeugte, welches der volle,
umfassende und detaillierte Ausdruck seines Gedankens für sein
Volk war (nämlich Christus) . Der Apostel Paulus drückt die
Tatsache mit Worten aus, die uns vertraut sind: «Denn welche er
zuvor erkannte, die hat er auch zuvor bestimmt, dem Bilde seines
Sohnes gleichförmig zu sein, damit er der erstgeborene sei unter
vielen Brüdern» (Römer 8.29). «Dies ist mein
geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe» - «dem Bilde
seines Sohnes gleichförmig.» Hier haben wir die Präsentation,
das Zeugnis und die Deklaration des göttlichen Vorsatzes in
bezug auf ihn. Deshalb wiederhole ich, die erste Absicht des
Heiligen Geistes (in der Schule Christi) ist es, uns mit dem
vertraut zu machen, worin unsere geistliche Erziehung bestehen
wird: nämlich, dass er Christus in uns offenbaren werde und
später daran gehe, uns Christus gleichförmig zu machen. Um
Christus lernen zu können, müssen wir Christus zuerst sehen. Das
vorrangige Kennzeichen eines Lebens, das vom Geist regiert wird Das Kennzeichen
eines Lebens, das vom Heiligen Geist regiert wird, besteht darin,
dass ein solches Leben ständig und immer mehr mit Christus
beschäftigt ist, dass Christus grösser und grösser, immer
wunderbarer wird. Die Wirkung des Werkes des Heiligen Geistes in
uns ist die, dass er uns an das Ufer eines gewaltigen Ozeans
führt, der weit, weit über unseren Horizont hinausreicht, und
im Blick auf den wir das Gefühl haben: Oh, welche Tiefe, welche
Fülle der Reichtümer Christi! Selbst wenn wir länger leben
würden als je ein Mensch vor uns gelebt hat, werden wir noch
immer nur ganz am Anfang dieser weiten Fülle stehen, die
Christus ist. Nun, das fordert
uns schon heraus, bevor wir einen Schritt weitergehen können.
Dies sind nicht blosse Worte. Es ist keine blosse Rhetorik. Es
ist die Wahrheit. Wir wollen sofort unser eigenes Herz fragen:
Trifft das auf uns zu? Ist dies die Art von Leben, die wir
kennen? Oder verzweifeln wir über dieser Sache? Mit andern
Worten: Wir erfassen, was Christus betrifft, so viel, wie wir
erkennen, dass wir geschlagen werden, dass wir keinen Anteil
daran haben, und dass wir das alles nie in unser Blickfeld
bringen werden. Es übersteigt uns bei weitem, und dennoch werden
wir immer weiter vorwärtsgezogen. Ist das in eurer Erfahrung so?
Das, meine Lieben, ist das Kennzeichen eines Lebens, das vom
Heiligen Geist regiert wird. Christus wird grösser und grösser
und grösser, während wir voranschreiten. Wenn das (bei uns)
zutrifft, nun, das ist der Weg des Lebens. Solltet ihr und ich je
an einen Punkt kommen, wo wir meinen, wir wüssten es nun, wir
hätten alles, wir hätten es erreicht, und an diesem Punkt
stillstehen, können wir sicher sein, dass der Heilige Geist
aufgehört hat, zu operieren, und dass das Leben hinfällig
geworden ist. Wir wollen das
Beispiel eines Menschen aufgreifen, der uns, wie ich glaube, zu
dem Zwecke unter den Menschen gegeben wurde, die Wege Gottes
aufzuzeigen - das Beispiel des Apostels Paulus. Die Worte, die er
braucht, um zu definieren und auszudrücken, was ihm ganz am
Anfang widerfahren ist, lauten: «Es gefiel Gott wohl... seinen
Sohn in mir zu offenbaren» (Gal. 1.16). Nun, dieser Mann
bewältigte eine grosse Menge von Belehrung und Predigten. Er gab
eine Menge von sich. Er hatte ein langes und sehr angefülltes
Leben, nicht nur bezüglich der Menge, die er von sich gab,
sondern auch im Blick auf die konzentrierte Substanz, die dem
Versuch vieler Jahrhunderte, sie auszuloten, trotzte. Am Ende
dieses langen, dieses vollen Lebens bricht dieser Schrei aus dem
Herzen des Mannes, der von seinen Anfängen gesagt hatte: «Es
gefiel Gott wohl... seinen Sohn in mir zu offenbaren»: «...um
Ihn zu erkennen!» (Philipper 3.10). Dies deutet sicher darauf
hin, dass er selbst mit der grossen anfänglichen Offenbarung und
den darauffolgenden ständigen Enthüllungen, einschließlich
seiner Entrückung in den dritten Himmel, wo er unaussprechliche
Dinge hörte, am Ende eines langen Lebens nichts wusste im
Vergleich zu dem, was man (im Blick auf Christus) wissen kann. Um
Ihn zu erkennen! Dies ist das Wesen eines Lebens, das vom
Heiligen Geist regiert wird, und dieses unstillbare Verlangen ist
das einzige, das uns vom Tod, von Stagnation oder sogar von
Stillstand befreien kann. So stellt Gott also schon ganz am
Anfang Christus vor, er präsentiert ihn, attestiert ihn und sagt
im Grunde genommen: Dies ist es, dem ich euch gleichförmig
machen möchte, diesem Bild! Ja, nun, da wir
die Präsentation vor uns haben, beginnen die grundlegenden
Lektionen. Der Heilige Geist begnügt sich nicht damit, uns bloss
eine grosse Präsentation zu vermitteln; Er beginnt ein echtes
Werk im Blick auf diese Präsentation, und wir werden unter
seiner Hand in unserer geistlichen Erziehung zu zwei oder drei
grundlegenden Dingen geführt. Ich möchte kurz
innehalten und in euch dringen, dass ihr euch völlig von der
Vorstellung freihaltet und distanziert, ich wolle versuchen, euch
bloss biblische Lehre zu erteilen. Ihr werdet am Ganzen
vorbeigehen, wenn ihr diese Mentalität hegt. Mein Ziel, in
Zusammenarbeit mit dem Herrn, besteht darin, alles vor allen
Dingen praktisch zu machen; und so wenden wir die Herausforderung
unmittelbar an, und ich möchte euch deshalb fragen: Präsentiert
der Heilige Geist in euch Gottes Fülle in seinem Sohn in stets
zunehmendem Masse? Ist dies die Natur eures geistlichen Lebens?
Wenn nicht, dann benötigt ihr einige entscheidende Erfahrungen
vor dem Herrn in dieser Hinsicht; dann ist irgend etwas nicht in
Ordnung. Die Salbung bedeutet nämlich genau dies; wenn dies
nicht die Natur eures geistlichen Lebens ist, dann stimmt bei
euch etwas nicht in bezug auf die Salbung. Zu Nathanael sagte der
Herr Jesus: «Von nun an (das alte englische Wort ist
«hereafter», also etwa dem deutschen «hernach» ähnlich; aber
ich denke, viele Leute haben fälschlicherweise gemeint, das
bedeute «nach dem Leben») werdet ihr den Himmel offen sehen und
die Engel Gottes auf- und niedersteigen auf den Sohn des
Menschen.» Das «von nun an» bedeutet natürlich das
unmittelbare «nachher», es bezog sich auf die Tage des Heiligen
Geistes, die so bald nachher kommen sollten. Mit einem offenen
Himmel seht ihr, und ihr erkennt die Bedeutung, die Gott seinem
Sohn beimisst. Jener offene
Himmel war für den Herrn Jesus die Salbung. Der Geist stieg auf
ihn nieder und blieb auf ihm. Es war die Salbung, und es ist
dasselbe für uns. Der offene Himmel ist die Salbung des Geistes,
die seit den Tagen von Pfingsten bis heute auf dem Christus in
uns ruht. Dieser offene Himmel bedeutet eine ständig wachsende
Offenbarung von Christus. O, lasst mich
dies mit Nachdruck sagen. Ich muss darauf zurückkommen. Wir
dürfen nicht zu schnell andere Dinge hinzufügen. Wir müssen
uns vergewissern, ob wir uns hinsichtlich dieser Dinge richtig
verstanden haben. Der offene Himmel bringt sofort Gottes volle
Offenbarung in Christus vor eure Türe, macht sie euch
zugänglich, so dass ihr nicht in erster Linie auf Büchereien,
Bücher, Botschaften oder irgend sonst etwas angewiesen seid. Es
ist für euch einfach da. Wieviel immer es dem Herrn von diesen
anderen Dingen zu benutzen beliebt, um euch dadurch zu helfen und
zu bereichern, so habt ihr doch euren eigenen offenen Himmel,
euren eigenen klaren Weg durch alle Hindernisse, es gibt keine
geschlossene Kuppel über eurem Kopf. Der Herr Jesus wird immer
wunderbarer in eurem Herzen, weil «Gott, der sagt, aus der
Finsternis soll Licht aufleuchten, in unseren Herzen
aufgeleuchtet ist, zum Lichtglanz der Erkenntnis der Herrlichkeit
Gottes im Angesicht Christi» (2. Kor. 4.6). Die
«Andersheit» Christi Wenn dies so ist
- falls es für euch nicht so ist, müsst ihr vielleicht die
Dinge hier auf sich beruhen lassen, bis ihr vom Herrn weiter
behandelt worden seid -, fängt der Heilige Geist an, darauf hin
zu wirken, wie ich schon sagte, dass er zwei oder auch drei Dinge
für uns sehr real werden lässt. Das erste ist die absolute
«Andersheit» Christi. Wie so vollständig anders ist er doch
als wir! Nehmen wir zum Beispiel die Jünger, die in seine Schule
gingen - es war für sie nicht in dem Sinne die Schule des
Heiligen Geistes wie für uns, aber das Ergebnis ihrer
Gemeinschaft mit dem Herrn Jesus während jener dreieinhalb Jahre
war genau dasselbe. Das erste, was sie lernen mussten, war, wie
so verschieden er von ihnen war. Das mussten sie lernen. Ich
glaube nicht, dass es ihnen vom ersten Augenblick an bewusst
geworden ist. In dem Masse, wie sie mit ihm voranschritten,
stellten sie wieder und wieder fest, wie sehr sie mit seinen
Gedanken, seinem Sinn, seinen Wegen zusammenstiessen. Da drangen
sie ihn, einen bestimmten Kurs einzuschlagen, gewisse Dinge zu
tun, an bestimmte Orte hinzugehen; oder sie versuchten, ihm ihre
eigenen Urteile, ihre eigenen Gefühle, ihre eigenen
Vorstellungen aufzudrängen. Doch er ging auf nichts davon ein.
Am Hochzeitsfest in Kana, Galiläa, kam seine eigene Mutter mit
ihrer Idee und sagte: Sie haben keinen Wein! Seine
Antwort war: «Frau, was habe ich mit dir zu schaffen? Meine
Stunde ist noch nicht gekommen.» Was habe ich mit dir zu tun?
Nun, das ist eine schwache Übersetzung. Besser wäre: «Frau, du
und ich denken in verschiedenen Bereichen; im Augenblick haben
wir nichts gemeinsam.» So versuchten sie die ganze Zeit
hindurch, ihm ihren Standpunkt hinsichtlich der Dinge
aufzudrängen. Aber stets stiess er sie von sich und zeigte ihnen
dadurch, wie verschieden seine Gedanken, seine Wege, seine
Vorstellungen, seine Urteile waren - vollständig verschieden.
Ich nehme an, dass sie schliesslich verzweifelten. Auch er selbst
hätte sehr wohl an ihnen verzweifeln können, hätte er nicht
gewusst, dass dies genau das war, was er in ihnen bewirken
wollte. Wenn ihr dies begreift, dann habt ihr etwas Hilfreiches
gewonnen. «Herr, warum ist es so, dass ich ständig entdeckt
werde, dass ich ständig eine Dummheit begehe? Irgendwie sage und
tue ich stets das Falsche, stets bin ich auf der falschen Seite!
Irgendwie scheint es, dass ich nie mit dir einig gehen kann; ich
bezweifle, dass ich je das Richtige treffen werde!» Und da sagt
der Herr: «Ich lehre dich, das ist alles! Es geschieht mit
Absicht, es ist genau das, was ich möchte, dass du es begreifst.
Solange du diese Lektion nicht lernst, kommen wir nirgends hin.
Hast du diese Lektion jedoch gründlich gelernt, dann können wir
ein konstruktives Werk beginnen. Im Augenblick ist es aber
notwendig, dass du an einen Punkt gelangst, wo du einsiehst, dass
ich absolut anders bin als du. Es besteht ein solcher Unterschied
zwischen uns, dass wir uns in zwei absolut gegensätzlichen
Welten bewegen.» Dieser
gewöhnliche Sinn des Menschen ist im besten Falle ein anderer
Sinn. Dieser Wille des Menschen ist bestenfalls ein anderer
Wille. Ihr wisst so lange nicht, was sich hinter euren Motiven
verbirgt, als der Heilige Geist nicht in die Tiefen eures Wesens
herunter schneidet und es euch zeigt. Ihr könnt eure Gefühle
und euer Verlangen in die heiligsten Begriffe kleiden. Ihr könnt
sogar, wie Petrus, auf den göttlichen Vorschlag «wenn ich
dich nicht wasche, so hast du keinen Teil an mir» so reagieren
und sagen: «Nicht nur meine Füsse, sondern auch meine Hände
und meinen Kopf»; aber es ist trotzdem nur das Ich, das wieder
hoch kommt - es geht um meinen Segen. Ich möchte
den Segen... Und so entgeht mir der ganze Punkt, den der Meister
mir beizubringen versucht. Ich versuche dir beizubringen, hätte
er sagen können, dass du dich entleeren musst; du aber greifst
gierig nach jedem meiner Vorschläge, um dich damit zu füllen,
um etwas zu erlangen. Ich versuchte, dir zu sagen: «Gib, lass
los!» - Dieses «Selbst» erhebt sich oft auf die geistlichste
Weise. Das «Selbst» verlangt nach geistlichem Segen. Wir wissen
nicht, was hinter unseren Gefühlen liegt. Wir müssen in eine
sehr strenge Schule des Heiligen Geistes genommen werden, die uns
letztlich zur Feststellung verhilft, dass unsere besten Absichten
beschmutzt, unsere reinsten Motive vor unseren Augen unrein sind;
Dinge, die wir für Gott wollten, erweisen sich als solche, die
uns selbst entspringen. Wir können aus dieser unserer Natur
nichts hervorbringen, das Gott irgendwie akzeptabel wäre. Alles,
was je zu Gott gelangen kann, ist allein in Christus vorhanden,
nicht in uns. Es wird in diesem Leben nie als uns gehörig in uns
vorhanden sein. Der Unterschied zwischen Christus und uns wird
stets bestehen bleiben. Auch wenn er in uns wohnt, ist doch er
und nur er der Gegenstand des göttlichen Wohlgefallens und der
göttlichen Befriedigung, und die eine, grundlegende Lektion, die
wir, ihr und ich, unter der Belehrung, Offenbarung und Zucht des
Heiligen Geistes zu lernen haben, ist die, dass er anders ist als
wir: und diese Andersheit ist in der Tat etwas Absolutes. Dies
ist eine sehr schwierige Lektion. Und gewiss ist es
eine Lektion, welche die Welt zu lernen sich weigern wird. Sie
will das nicht haben. Denn es läuft dem ganzen Lehrsystem des
Humanismus zuwider, der Lehre, dass der Mensch ein äusserst
wunderbares Wesen sei, all dieses Zeug, das tagtäglich übers
Radio ausgestrahlt wird - lebt euch aus, verwirklicht euch
selbst, tut euer Bestes, versucht stets, bester Verfassung zu
sein: Und das ganze wird zudem noch Christentum genannt! O nein,
selbst wenn ihr euer Bestes erreicht habt, existiert dennoch ein
tiefer Graben zwischen euch und den Anfängen Christi, der nicht
überbrückt werden kann. Wenn ihr euer Bestes erreicht habt,
habt ihr mit Christus noch gar nicht angefangen, Das ist absolut,
aber vielleicht sind wir harthörig und haben diesen Nachdruck
nötig. Die meisten von uns haben etwas (in dieser Richtung)
gelernt. Aber
wenn wir dies (dieses Anderssein Christi) in unserer Erfahrung
kennengelernt haben, wollen wir auch den Trost sehen dadurch,
dass wir uns nochmals sagen lassen, was im Grunde geschieht. Was
tut der Herr, was tut der Heilige Geist mit uns? Nun,
grundsätzlich lehrt er uns, dass wir eines sind und Christus
etwas anderes. Das ist die wichtigste Lektion, die
es zu lernen gilt, denn so lange wir das nicht begriffen haben,
kann nichts Konstruktives folgen. Das erste ist daher die
völlige Andersheit Christi im Vergleich zu uns selbst. Die
Unmöglichkeit, Gottes Standard von uns selbst aus zu erreichen Zweitens bringt
uns der Heilige Geist die Tatsache zum Bewusstsein, dass es
völlig unmöglich ist, dies von uns aus zu sein. Seht ihr, Gott
hat einen Standard festgelegt, Gott hat dieses Modell
vorgestellt, Gott hat uns sein Ziel vor Augen gesetzt, dem wir
gleichförmig werden sollen, und das nächste, dem wir uns
gegenüber sehen, ist die äusserste Unmöglichkeit, das zu sein.
Ja, von uns aus können wir das niemals sein. Habt ihr diese
Lektion der Verzweiflung noch nicht gelernt? Oder muss der
Heilige Geist euch wieder und wieder verzweifeln lassen? Warum
nicht eine gründliche Verzweiflung durchstehen, um sie dann
hinter sich zu haben? Warum alle paar Tage verzweifeln? Nur, weil
ihr noch immer auf der Jagd seid und hofft, irgendwo irgend etwas
zu finden, irgend einen Fetzen Gutes in euch selbst, das ihr Gott
darbringen könnt und an dem Gott Wohlgefallen haben sollte, das
ihn befriedigte und seinen Forderungen gerecht sein würde. Ihr
könnt so lange suchen wie ihr wollt, ihr werdet nie etwas
finden. Findet euch vielmehr damit ab, dass «alle unsere
Gerechtigkeit ist wie schmutzige Lumpen» (filthy rags). Unsere
Gerechtigkeit, all diese Versuche, gerecht zu sein... in bezug
auf all dies sagt der Herr: «Schmutzige Lumpen»! Wir wollen uns
dies ein für allemal merken. Wenn ihr bei dem, was ich gerade
gesagt habe, vorwärts blickt, könnt ihr sehen, wohin das
führt. Es führt uns zu der herrlichsten Stellung. Es führt uns
zu jenem glorreichen Ziel, das der Herr Jesus in jenen Tagen,
bevor alles eine innere Angelegenheit wurde, so umrissen hat:
«Lernet von mir... und ihr werdet Ruhe finden für eure
Seelen.» Das ist das Ende. Aber eben, wir werden nie Ruhe finden
für unsere Seelen, solange wir nicht den absoluten Unterschied
zwischen Christus und uns gelernt haben, und ebenso die absolute
Unmöglichkeit unsererseits, durch irgend etwas ihm gleich zu
werden, das wir in uns vorfinden, hervorbringen oder tun
könnten. Es ist in diesem Sinne nicht in uns. Es ist deshalb
besser, wir verzweifeln endgültig im Blick auf uns selbst. Diese
beiden Dinge sind grundlegend. Das nächste, was
der Heilige Geist tun wird - er wird anfangen, uns zu zeigen, wie
es vollbracht wird. Wir werden im Augenblick noch nicht darauf
eingehen, sondern wollen es mit der Tatsache bewenden lassen,
dass der Heilige Geist nichts tun kann, solange diese andern
Dinge nicht geschehen sind. Oh, Gott ist sehr eifersüchtig im
Blick auf seinen Sohn. Sein Sohn ist in dieser Angelegenheit
direkt durchs Feuer gegangen, indem er die Gestalt und das Leben
der Abhängigkeit angenommen hat, indem er sich freiwillig dessen
entäußerte, was es ihm ermöglicht hätte, zu irgend einem
Zeitpunkt durch seine Gottheit seine eigene Befreiung, Errettung,
Vorsorge und Bewahrung zu bewirken. Aber er entäußerte sich
dieses Rechts und sagte: «Ich lasse im Augenblick all meine
Rechte, meine Vorteile und meine Kräfte beiseite und nehme die
menschliche Stellung einer äußersten Abhängigkeit von Gott,
meinem Vater, ein. Ich nehme alles auf mich, was ein Mensch je
auf sich zu nehmen hat, und dies auf der Ebene des Menschen.» So
stellte er sich allem Menschlichen auf jedem Gebiet in
konzentrierter Form und Kraft, und stand es ohne jeden Fehl als
Mensch für den Menschen durch. Dann kehrte er aufgrund eines
vollständigen Triumphs über jede Macht, der sich je ein Mensch
gegenübersieht, wenn es darum geht, Gott zu befriedigen, heim.
Glaubt ihr denn, Gott würde je seinen Sohn und alles, was er
zugunsten des Menschen errungen hat, übergehen und sagen: «Ach,
tu nur dein Möglichstes, das wird mich schon befriedigen»? Oh,
wie blind ist doch dieses Christentum für Christus und für
Gott, das heute so populär ist. Nein, es gibt in diesem
Universum nur einen einzigen, im Blick auf den Gott von ganzem
Herzen sagen kann: «An welchem ich Wohlgefallen habe.» Und
dieser einzige ist der Herr Jesus Christus. Wenn wir, ihr und
ich, je in diese Gunst gelangen wollen, ihr Lieben, so wird das
nur «in Christus Jesus» möglich sein, nicht in uns selbst. Wenn wir dies
gelernt haben, oder wenn dieser Teil der Erziehung behandelt
worden ist, kann der Heilige Geist damit anfangen, uns dem Bilde
des Sohnes Gottes gleichförmig zu machen. Nun, wir haben Lektion
1 und 2 im Falle der Jünger betrachtet. Während der Monate und
Jahre (ihrer Gemeinschaft mit dem Herrn) lernten sie, wie so
völlig anders der Herr war als sie, und dann erreichten sie
einen Punkt, wo sie gerade in dieser Sache an sich verzweifelten;
so wollte es der Herr haben. Er sah das alles voraus. Er konnte
es nicht verhindern, er konnte es ihnen nicht ersparen, er musste
zulassen, dass es ihnen so erging; und ganz am Ende, als sie am
lautesten ihre Loyalität, ihre Treue, ihre Geduld bekundeten und
prahlten, was sie tun würden, wenn die Probe an sie käme, sagte
er zu ihnen allen: «Glaubt ihr nun? Siehe, es kommt die Stunde,
ja, sie ist schon gekommen, wo ihr zerstreut werdet, jeder in
seine Stadt, und ihr mich allein lasst» (Joh. 16.31-32), und zu
einem von ihnen sagte er besonders: «Bevor der Hahn krähen
wird, wirst du mich dreimal verleugnet haben» (Joh. 13.38). Was
glaubt ihr, was fühlten wohl diese Männer, als er gekreuzigt
wurde und sie alle wegrannten und ihn allein ließen, und jener
eine ihn verleugnete? Glaubt ihr nicht auch, dass dunkle
Verzweiflung ihre Seele überfiel, Verzweiflung nicht nur über
ihre Aussichten und Erwartungen, sondern auch über sich
selbst? Ja, und er musste es geschehen lassen; er konnte nichts
unternehmen, um es zu verhindern. Es war notwendig. Und wenn wir,
ihr und ich, in derselben Schule sind, müssen wir denselben Weg
gehen. Anders geht es nicht. Es kann kein konstruktives Werk
geschehen, solange das in uns noch nicht entwickelt worden ist. Das klingt
natürlich schrecklich, aber es sollte uns dennoch Mut machen! In
gewisser Weise ist das nämlich bereits konstruktiv. Was tut der
Herr in mir? Er bereitet einen Weg zu für seinen Sohn, er ebnet
das Terrain, um die Fülle Christi hereinzubringen. Genau das tut
er. Er tat es bei ihnen, und Pfingsten und was darauf folgte
war seine Antwort auf das, was sich zutrug, als er überliefert
wurde, auf alles, was mit ihnen damals geschah. Ihr sagt: Dann
begann er also sein konstruktives Werk? Ja, das tat er; nach dem
Kreuz und nach Pfingsten fingen die Dinge an, sich auf innerliche
Weise zu verändern, und von jener Zeit an könnt ihr beobachten,
dass Christus auf zunehmende Weise in diesen Männern
manifestiert wird. Sie mögen noch einen langen Weg vor sich
haben, aber ihr könnt nicht umhin zu sehen, dass das Fundament
gelegt worden ist, der Anfang war gemacht. Es besteht ein
Unterschied (zu vorher, als der Herr noch bei ihnen war), aber
der Unterschied besteht nicht so sehr darin, dass sie nun völlig
andere Männer geworden wären, sondern vielmehr darin, dass
Christus in ihnen nun alles überschritt (transcended), was sie
von Natur aus waren. Es ist nicht so, dass sie so viel besser
geworden wären, aber Christus in ihnen wurde als eine Kraft so
viel realer. Das genügt für
den Augenblick. Wir wollen unsere Herzen heute beugen, wir wollen
heute einwilligen. Es geht um die Schule Christi. Ich weiß,
wie herausfordernd es ist, wie herausfordernd für diesen alten
Menschen, der so schwer stirbt, der so große Schwierigkeiten
hat, nachzugeben. Unsere ganze, bisherige Erziehung, unsere
Bildung hat uns ganz anders geprägt. Wir sind belastet mit
diesem schrecklichen Erbe des Humanismus - man lehrte uns, das
Beste aus uns zu machen, was wir überhaupt sein können! Nun,
ihr müsst das, was ich euch gesagt habe, so nehmen, wie ich es
gesagt habe. Niemand soll glauben, er könnte (mit dieser Sicht)
gleichgültig oder schlampig werden, er dürfe weniger als das
Beste geben, weil ich das gesagt habe. Ich hoffe, ihr wisst,
wovon ich spreche. Selbst wenn wir unser Bestes leisten (und das
sollen wir nach Möglichkeit tun), können wir den Graben nicht
überbrücken, der zwischen dem Menschen und Jesus Christus
klafft. Nein, dieser Graben bleibt bestehen; der einzige Weg, um
hinüberzukommen, ist der, zu sterben und von den Toten
auferweckt zu werden; aber im Augenblick ist das etwas anderes. |
[ Hauptmenu ] [ Aktuelles Stichwort ] Im Sinne von T. Austin-Sparks’ Wunsch, dass, was reichlich empfangen wurde, auch reichlich weitergereicht werden sollte, unterliegen seine Schriften keinem Copyright. Darum bitten wir Sie, sollten Sie sie mit andern teilen wollen, seinen Wunsch zu respektieren und sie frei anzubieten, unverändert, unentgeltlich und ohne Copyright. |