Das wunderbare Gleichgewicht im Leben des Herrn
von
T. Austin-Sparks
Wie ruhig war er doch, wie ausgeglichen!
Nehmt zum Beispiel die Sache des Verstandes, des Herzens und des
Willens, und ihr könnt feststellen, dass die drei bei Ihm
vollkommen ausgeglichen waren. Von Natur aus sind wir sehr
verschieden.
Ich glaube, man kann die Menschen im Großen
gesehen in drei Klassen aufteilen. Da sind zum ersten einmal
jene, die mehr als irgendwo sonst im Bereich ihres Kopfes
angesiedelt sind. Sie sind auf die eine oder andere Weise ganz
Kopf. Und wenn sie nicht intellektuell geprägt sind, haben sie
eine andere Mentalität sie sind in-sich-gekehrt,
analysieren alles und drehen alles im Kopf; es ist alles ein
einziges Denken, Rätseln, Grübeln, alles bewegt sich in diesem
Bereich. Das ist ihr Hauptmerkmal. Ihr könnt es beinahe in ihren
Gesichtern sehen. Es ist dieser ständige Versuch, alles mit
ihrem Kopf zu durchdringen, was diese bestimmte Klasse mehr oder
weniger charakterisiert.
Dann gibt es aber noch eine andere Klasse:
Hier ist alles Herz, Gefühl, Emotion. Sie leben schlicht in
ihren Gefühlen, vielleicht in verschiedenen Formen, aber dennoch
in Gefühlen. Sie werden von ihren Gefühlen beherrscht, sie
interessiert nur, wie die Dinge das Gebiet ihres emotionalen
Lebens beeinflussen. Entweder sind sie im Hoch oder aber im Tief,
ihr seid da nie sicher, aber eines wisst ihr: ob sie nun oben
oder unten sind, sie werden von ihren Gefühlen regiert. Würden
sie nur ein bisschen mehr nachdenken anstatt jedem Impuls zu
folgen, dann wären sie ausgeglichener.
Die dritte Klasse sind Leute, die von ihrem
Willen beherrscht werden, Leute voller Tatendrang, stark, sich
durchsetzend. Manchmal ist der Wille unvernünftig. Sie hören
nicht auf zu denken. Sie verspüren einen Drang, aber denken dann
nicht an den Schaden, den sie dadurch bei sich selbst und andern
Menschen anrichten. Ihr Wille überfährt das Gefühl; manchmal
ist das recht gut, aber ganz nur Wille zu sein, diese ganze Art
von Kraft, Bestimmtheit, dieser Griff und Gewaltsamkeit, o wie
unerträglich ist das doch, und welchen Schaden kann es zuweilen
anrichten!
Die Menschen lassen sich von Natur aus in
diese Klassen einteilen, aber ihr könnt nichts von alle dem beim
Herrn Jesus auf Erden finden. Zwar stellt ihr fest, dass Sein
Wille zuweilen ziemlich stark in Erscheinung tritt, manchmal das
Herz, manchmal der Verstand. Ja, der Verstand konnte
hervortreten, und wer konnte Ihm da auf diesem Gebiet
entgegentreten? Einige Seiner Antworten brachten die
gescheitesten Zeitgenossen zum Schweigen, ja lähmte sie sogar.
Betrachtet doch einige der Antworten, die Er gab, die Art, wie Er
ein Problem behandelte. Da glaubten sie, sie hätten Ihn
festgelegt, Er könne ihnen nicht mehr entkommen. Da macht Er
eine simple Aussage und die ganze Sache fällt in sich
zusammen; sie hatten Ihn überhaupt nicht gekriegt!
Aber worauf es ankommt, ist folgendes: Auch
wenn all diese Dinge (bei Ihm ebenfalls) vorhanden sind, so sind
sie ausgeglichen. Da geht nie die Stärke des Willens auf Kosten
der Empfindsamkeit. Da treten nie starke Gefühle auf zum Schaden
rechter Strenge. Er erlaubt Seinem Herzen nicht, mit Seinem
eigenen Urteil davon zu laufen. Er ist vollkommen ausgeglichen;
und das ist eines der Dinge, die auch wir dringend brauchen. Und
gerade dazu ist der Heilige Geist gekommen, und es ist eines der
Dinge, die geschehen müssen, wenn ein Leben vom Heiligen Geist
beherrscht wird. Es muss ein ausgeglichenes Leben werden, frei
von jeder Einseitigkeit.
Alles Übergewichtige macht eine Sache
ungleichmäßig. Zeichnet einen Kreis und teilt ihn in drei
Segmente: «Verstand», «Herz», «Wille». Dann gib dem
«Willen» einen Stoß und mach ihn etwas größer als Herz oder
Verstand. Verwandle den Kreis in ein Rad und schau, wie
gleichmäßig zu vorankommst es ist die
Ungleichmäßigkeit eines unausgeglichenen Lebens. Es macht das
Gehen schwierig, schwerfällig und unbequem.
Betrachtet die ausgewogene Haltung im Wandel
des Herrn auf dieser Erde. Was wir brauchen, ist dass der Geist
Christi eingreifen und eine Angleichung an Ihn vornehmen kann;
dass er uns so rekonstituieren kann, dass wir gleichmäßiger
einhergehen, und nicht an einem Tag im Hoch und am nächsten Tag
im Tief, veränderlich, schwankend, weil unser Seelenleben so
unausgeglichen ist. Wir haben diesbezüglich noch einen langen
Weg zu gehen, aber die Gleichförmigkeit mit Seinem Bild bedeutet
unter anderem eben auch das, dass ein Gleichmaß in unser Leben
hereingebracht wird, das uns von den furchtbaren Auswirkungen des
Sich-Abmühens, des einseitigen Lebens mehr in einem als in einem
andern Bereich der Seele befreit. Wir brauchen das. Manchmal
singen wir: «Möge unser geordnetes Leben die Schönheit Deines
Friedens bezeugen». Ich kann euch sagen, mich verlangt danach,
nach diesem inneren, geordneten Leben.
Das ist der Grund, warum das Wort Gottes so
oft betont, dass alles in der Gemeinde Christus gemäß sein
sollte. Er persönlich ist der Neue Mensch; die Gemeinde, Sein
Leib, ist «der eine, neue Mensch». Nun, hier in der Gemeinde
möchte der Heilige Geist alles Christus gemäß einrichten, und
wenn nun der alte Mensch mit seinem Zustand der
Unausgeglichenheit in die Gemeinde herein kommt, und wenn infolge
dessen einzelne in der Gemeinde sich in dieser Richtung bewegen
und andere in einer anderen Richtung des natürlichen Lebens, des
Verstandes, oder des Willens oder irgend einer anderen besonderen
schöpfungsmäßigen Richtung, dann zerstören sie die Gemeinde;
das heißt, sie verunmöglichen bereits ihre eigentliche
Entstehung.
In der Gemeinde soll alles von Christus
reden, und darum muss in der Gemeinde das, was Christus ist,
ständig wachsen und die Oberhand über alles andere gewinnen.
Darum muss in der Gemeinde eine äußerste Unterwerfung unter
Christus als dem Haupt stattfinden. Genauso wie wir alle von
unserem Kopf her leben und unser Charakter, unsere Natur, unsere
Handlungen und unser Reden alle vom Kopf kontrolliert werden, so
empfängt die Gemeinde ihre Natur von der Natur Christi. Was nun
der Herr bekommen möchte, ist eine Gemeinde, die das zum
Ausdruck bringt, was Christus ist diese Ausgeglichenheit.
Ja, Seine Kraft, aber auch Seine Liebe; Seine Wahrheit, aber auch
Sein Licht; aber ebenso Sein Leben. O, wir können ein solches
Übergewicht von Licht und Wahrheit haben, viel Kopf und wenig
Herz.
Andererseits habe ich auch Gemeinschaften
kennen gelernt, wo alles nur Herz ist; da fallen die Leute
einander um den Hals mit überschwänglichen Worten so genannter
Liebe, und dennoch wachsen sie nicht, sie kommen nie an einen
Punkt, wo sie Verantwortung übernehmen. Es klingt und sieht aus
wie Liebe, aber darunter fehlt etwas. Sie benötigen
Unterweisung; sie brauchen Auferbauung.
Wenn der Leib fest zusammen gefügt und
kompakt ist, wenn er ausgeglichen ist und zu einer richtigen
Gliederung und Harmonie gebracht worden ist, indem er Seine Natur
und Seinen Charakter von Christus herleitet und deshalb durch das
regiert wird, was Er als der neu geschaffene Mensch ist, dann
habt ihr das erreicht, wonach Gott trachtet. Und ihr könnt das
in einer örtlichen Gemeinschaft und in örtlichen Gemeinschaften
finden, die dadurch eben nicht zu Orten werden, die für irgend
eine bestimmte Wahrheit einstehen, etwas, das sich von allen
anderen Lehren unterscheidet, ständig auf der Suche nach etwas
Außergewöhnlichem, weitab von dem, was allgemeine Anerkennung
findet. Nein, ihr findet da ganz einfach eine Verkörperung und
einen Ausdruck von Christus. Und das ist alles, was Gott will,
und alles, was auch wir wollen. Wenn Leute uns als einer
Gemeinschaft oder als einzelnen begegnen, dann stoßen sie auf
etwas, das sie berührt. Dann werden sie sagen: Gäbe es nur mehr
davon, dann würde die Welt ein anderer Ort sein; und doch ist
das etwas so außerhalb jeder menschlichen Möglichkeit, dass nur
Gott dies tun kann das ist Gott! Es erfordert den
allmächtigen Gott, und doch existiert es hier; es
berührt uns wir merken, dass genau dies nötig ist.
O welche Tragödie diesbezüglich in diesen
Tagen! Ihr hört fast täglich im Radio davon. Ihr stellt fest,
dass die Literatur unserer Tage voll ist davon: von der
Erkenntnis der Tatsache nämlich, dass, wären die Dinge nur auf
einer Linie mit Christus, würde nur die Lehre Christi in die Tat
umgesetzt, wenn nur Christus und was Er war wirklich hier
vorhanden wäre und zum Ausdruck gebracht würde, die Welt so
ganz anders wäre! Ihr findet eine Menge von Feststellungen und
Anerkennung dieser Tatsache; auf der andern Seite fangen die
Menschen sofort an zu sagen: Gut, befassen wir uns damit; wir
wollen dies und jenes tun, um es zustande zu bringen. Sie merken
nicht, dass dies ein Wunder vom Himmel ist, und dass es nur durch
eine Geburt einsteht, durch eine Neuerrichtung, durch das Fiat
einer neuen Schöpfung. An dieser Stelle befindet sich der
Graben, die ganze Tragödie; und die Menschen fallen zwischen
beide.
Doch wir wissen es besser: Da ist Er, und da
ist Sein Geist, um es zu vollbringen. Es scheint, dass dafür
eine lange Zeitspanne nötig ist. Auch nur schon ein kleines
Stück Gleichförmigkeit mit Seinem Bild scheint fast die ganze
Lebenszeit zu beanspruchen. Dennoch tut Er etwas; es macht einen
großen Unterschied, wenn wir Christus haben. Vieles verändert
sich, weil Christus auf den Plan getreten ist, das wissen wir.
Und es werden noch größere Veränderungen folgen. Schließlich,
was immer wir über die Armseligkeit der Zustände in der
Gemeinde sagen mögen, die Welt wäre ein trauriger Ort, würde
man das Volk Gottes aus ihr herausnehmen; und das wird sie auch
sein, wenn es abgeholt worden ist. Da ist etwas, das nicht von
dieser Welt ist, und die Welt braucht es dringend.
Möge der Herr uns helfen, Christus zu sehen
und ständig zu Ihm zu kommen wegen dieser Gleichförmigkeit mit
Seinem Bild wegen dieses Aufnehmens des Geistes Christi,
dieser inneren Rekonstituierung nach dem Sohn des Menschen,
einer neuen Schöpfung in Christus Jesus.
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